Die Anzahl der Sternerestaurants erreicht jährlich neue Rekorde. Auch Österreich erhielt im vergangenen Jänner nach 16 Jahren wieder eine eigene Länderausgabe. Jetzt ermahnt Michelin vor allem die 2- und 3-Sterne-Restaurants zu mehr Auswahl auf ihren Speisekarten. Den Gästen zuliebe.

Es stösst Gästen der gehobenen Gourmetküche schon lange auf, dass es in zahlreichen – eigentlich fast allen – Restaurants der gehobenen Sterne-Szene meist nur noch ein Menü für die Gäste gibt. Also keine Auswahl mehr. Bestenfalls werden ein oder zwei vegetarische Austauschgerichte angeboten, meist wiederwillig. Die Meisterköche machen sich ihre Küchenkünste also ziemlich leicht, auch wenn klar ist, dass der Kostendruck im Gourmetolymp gewaltig ist und viele Spitzenadresse kaum Gewinne erwirtschaften. 

Waren- und Einkaufs-Risiko bleiben dadurch minimiert, ebenso der – trotz allem enorm aufwendige – Personaleinsatz. Die Beschaffung der Ware ist aber längst keine Ausrede mehr: Lange schon sind feinste Zutaten aus der Welt leicht erhältlich und eine große Anzahl an hochwertigsten Produkten und Zutaten – sowohl international wie lokal - finden den Weg auf die Teller der besten Restaurants. Hier nehmen sogar viele Sterne-Restaurants nochmals Druck heraus, indem sie, wie aktuell gut nachgefragt, stark auf regional und saisonal setzen. Was Beschaffungs- und Logistikaufwand nochmals reduziert.

Der Gast hat keine Wahl mehr

Seit einiger Zeit kommen die Michelin-Inspektoren (Tester) allerdings immer öfter mit derselben Beobachtung von ihren kulinarischen Dienstreisen zurück. Der Gast hat keine Wahl mehr! Er kann oft weder die Anzahl der Gänge wählen noch ein Menü ändern, oder aus dem Menü herauspicken worauf er gerade Lust und Appetit hat. Ein À-la-carte-Angebot? Fehlanzeige. Sehr oft müssen die Menüs zudem tischweise geordert werden, oft überhaupt die gravierendste Einschränkung.

„Es ist bedauerlich, dass immer weniger Restaurants eine klassische Auswahl bieten. Dabei müsste sie nicht einmal umfangreich sein – schon die Möglichkeit, überhaupt zu wählen, bereichert das Erlebnis. Wo solche Optionen angeboten werden, erfreuen sie sich übrigens großer Beliebtheit“, erzählt ein langjähriger Inspektor im deutschsprachigen Raum und fügt hinzu: „Selbst gehobene Preise schrecken die Gäste dann nicht ab. Drei ausgefeilte, harmonisch ausbalancierte und ansprechend portionierte Gänge können einen ebenso unvergesslichen Abend bescheren wie ein langes Menü.“ Nachsatz: „Wir glauben, die Wahl zu haben, ist gastfreundlich - im wahrsten Sinne des Wortes.“

Der Guide Michelin arbeitet für den Gast

Dazu kommt immer häufiger der Ärger mit Timeslots, also Tischen, die nur für ein bestimmtes Zeitfenster vergeben werden. Ein Umstand, der nur allzu oft einen gemütlichen Abend ziemlich ungemütlich beendet.

Die Inspektoren der Guide Michelins sehen sich aber vor allem als Dienstleister an den Gästen, die mit gutem Gewissen die besten Adressen in den jeweiligen Ländern empfehlen möchten. Daher die Offensive, den Gast auch in den höchsten Kategorien der Sterne-Restaurants wieder mehr Wahlmöglichkeiten beim Essen zu gewähren.

In Österreich auch rühmliche Ausnahmen

Österreich ist von diesem drückenden Problem noch etwas weniger betroffen als etwa Deutschland und die Schweiz. Trotzdem ist die fehlende Wahlmöglichkeit immer öfter ein unangenehmes Problem.

Gute Gegenbeispiele sind etwa das jüngst in den erlesenen Kreis der Dreisterner aufgenommene Steirereck in Wien, wo Chef Heinz Reitbauer seinen Gästen zwei Menüs und Wahlmöglichkeiten bietet, daneben alle Gerichte auch á al carte. Und das Landhaus Bacher in der Wachau, wo 2-Sterne-Chef Thomas Dorfer seinen Gästen täglich sogar vier (!) komplette Menüs zur Wahl stellt. Kein einziges Gericht wiederholt sich in diesen Menüs, die Gäste können nach Herzenslust wählen und nichts muss tischweise bestellt werden. Selbstverständlich werden alle Gerichte auch á la carte angeboten. Mit dieser einzigartigen Auswahl hat Thomas Dorfer wohl eine weltweite Alleinstellung.

Quellen: Redaktion; Michelin

Heinz Reitbauer vom 3-Sterne-Steirereck in Wien bietet seinen Gästen viel Auswahl….. © Steirereck
….ebenso Thomas Dorfer im Landhaus Bacher, der wohl eine weltweite Alleinstellung hat. © Günther Standl