In der Größe liegt die Kraft: Innerhalb Österreichs ist das Weinviertel ein Weinland der Superlative – kein anderes Gebiet verfügt über eine derartig große Fläche und Ausdehnung, keine andere Herkunft hat eine derartige Vielfalt an Böden und Mikroklimata zu bieten.

Maria Obermayer ist die erfolgreiche Geschäftsführerin des Regionalen Weinkomitees Weinviertel und hütet die Herkunft Weinviertel DAC ebenso wie Obmann Hans Setzer, selbst ausgewiesener Topwinzer. © RWK Weinviertel, Andrea Krahofer

Diesem Multikulti zum Trotz hat das größte Weinbaugebiet des Landes, das gut 30 Prozent der Gesamtrebfläche beansprucht, jedoch eine ampelografische Gemeinsamkeit in Gestalt der Sorte Grüner Veltliner, die hier seit Ewigkeiten die überragende Mehrheit stellt.

Dank dieser klaren Verhältnisse besitzt das Weinviertel auch die erste und somit älteste kontrollierte Herkunftsbezeichnung für Wein im Alpenland. Kann man hier immerhin auf den 22. Jahrgang verweisen, so gibt sich diese mittlerweile renommierte DAC trotz oder gerade wegen beachtlicher Entwicklungen so jugendlich und charmant wie eh und je. In Sachen Qualität – sowohl in der Breite als auch in der Spitze – ist es in den vergangenen zwei Dekaden spürbar nach oben gegangen, und im Zuge dieser Fortschritte wurde die Identität weiter gefestigt.

Der Startschuss erfolgte vor 22 Jahren: Während der in Österreich herrschenden Aufbruchsstimmung, die das ganze Weinland ab der Mitte der 1980er-Jahre erfasste, wurde im nördlichsten Weinbaugebiet Österreichs mit großem Nachdruck an der Qualitätsschraube gedreht. „Klasse statt Masse“ war das neue Motto der damals aufstrebenden Generation an Weinviertler Winzern, die zahlreiche Innovationen einbrachten und an neuen Konzepten für die Herkunft feilten.

Weinviertel DAC = Grüner Veltliner pur

Dass eine Profilierung über die Herkunft und das Weinbaugebiet – anstatt wie damals üblich über die Sorte – großes Potenzial birgt, erkannte man im Weinviertel nämlich deutlich früher als in anderen Herkünften. Diese geteilte Einsicht führte gerade in Österreichs größtem Weinbaugebiet als Erstes dazu, dass über alle möglichen Differenzen hinweg ein Konsens über die neue Stoßrichtung erarbeitet wurde. So nahmen sich Visionäre und Leitbetriebe aus dem Weinviertel schon während der langen Geburtsphase des hiesigen Herkunftsmarketings vor und nach der Jahrtausendwende der Übernahme dieses komplett neuen Konzepts an.

Das erfolgte in Gestalt einer ausschließlich der dominierenden Top-Sorte Grüner Veltliner gewidmeten Weinviertel DAC (Districtus Austriae Controllatus). 2001 wurde zugleich mit anderen das Regionale Weinkomitee Weinviertel gegründet, 2002 der Begriff Weinviertel DAC rechtlich verankert, und Anfang März 2003 gab es schließlich die ersten Herkunftsweine aus dem Hohen Norden Niederösterreichs. Die neuen DAC-Weine waren vom Start weg ein Renner, in den Anfangsjahren galt „DAC“ gar als Synonym für Veltliner aus dem Weinviertel mit sortentypischem „Pfefferl“ sowie ausgeprägter Frische und Frucht.

Älteste und erste DAC Herkunft

Trotz des anhaltenden Erfolgs wurde aber mit der Zeit klar, dass gerade ein derart großes, noch dazu auf eine – wenn auch unvergleichliche – Sorte fokussiertes Weinbaugebiet von einer Premium- oder Reserve-Kategorie wohl zusätzlich profitieren würde. So wurden 2009 die Rahmenbedingungen für eine solche geschaffen, und im Folgejahr kamen nach Inkrafttreten der Verordnung „Weinviertel DAC Reserve“ die ersten Weinviertel DAC Reserven – ebenfalls ausschließlich aus Grüner Veltliner – auf den Markt.

Die Anzahl an Weinen in der neuen Kategorie Weinviertel DAC Reserve war in den Anfangsjahren noch überschaubar, und dieser Pool wuchs auch bis Mitte der jüngsten Dekade eher bedächtig. Ab dann gewann die Kategorie unter den Winzern des Weinviertels zusehends an Beliebtheit, was sich auf die Vielfalt, insbesondere aber auf die Qualität merklich positiv auswirkte. Die qualitativen Fortschritte und stilistischen Evolutionen innerhalb dieser Kategorie sind offensichtlich, und somit darf man in Zukunft weitere Steigerungen nicht nur erhoffen, sondern vielmehr erwarten. 2020 trat schließlich die Verordnung „Weinviertel DAC Große Reserve“ in Kraft, und so konnten ab 1. November desselben Jahres Grüne Veltliner als Weinviertel DAC Große Reserve zur Prüfnummernkost eingereicht werden.

Klassiker, Reserven und Große Reserven

Unabhängig von der Kategorie besteht jeder Wein, der Weinviertel als Herkunft auf Etikett und Kapsel trägt, zu 100 Prozent aus Trauben der Sorte Grüner Veltliner und stammt aus dem größten Weinbaugebiet Österreichs. Dieses reicht von der Wiener Stadtgrenze Richtung Norden und östlich der Bundeshauptstadt von der Donau bis zu den Grenzen zur Slowakei im Osten und zu Tschechien im Norden, in westlicher Richtung erstreckt sich die Herkunft bis zum Manhartsberg.

Dank der verschiedenen Kategorien wird der Grüne Veltliner in seiner gesamten Bandbreite abgebildet – vom knackigen, vitalen Leicht- bis Mittelgewicht mit zwölf bis 13 Volumprozent Alkohol bis zu kraftvollen wie lagerfähigen Reserveweinen. Dabei handelt es sich durchwegs um trockene Weine. Während beim klassischen Weinviertler Herkunftswein nebst stets vorhandener Sortenwürze Frucht und Frische im Vordergrund stehen und weder Holzton noch Botrytis-Einfluss zugelassen sind, so ist bei Weinviertel Reserve und Große Reserve, die jeweils mindestens 13 Prozent Alkohol Etikettangabe aufweisen müssen, die Bandbreite merklich umfangreicher.

Bei den Weinviertel DAC Reserven ist somit die Handschrift des Winzers meist deutlich stärker ausgeprägt: Alter der Reben und Reifezeitpunkt sowie Vinifikation spielen klarerweise eine Rolle, wesentlich sind auch Art und Dauer der Reifung. Neben Edelstahltanks greifen viele Weinviertler Winzer für die Lagerung ihrer besten Grünen Veltliner auch auf andere Behältnisse zurück: Häufig kommen Holzfässer unterschiedlicher Größe – vom Barrique bis zu großen Fässern – meist aus Eichenholz, teils aus Akazie – zum Einsatz, doch findet man auch alternative Behälter wie Amphoren (Ton), Betoneier, Granit- oder Steinzeugbehälter.

Deutlich unterscheiden sich die verschiedenen Kategorien auch hinsichtlich des Datums, zu dem der Antrag auf die staatliche Prüfnummer eingebracht werden darf: bei der Klassik nicht vor 1. Jänner, bei der Reserve nicht vor 15. März und bei der ansonsten mit Reserve hinsichtlich Anforderungen übereinstimmenden Großen Reserve nicht vor 1. November des auf die Ernte folgenden Jahres.

Böden & Klima: Unvergleichliche Vielfalt

Dank seiner Größe und Ausdehnung hat das Weinviertel auf 14.000 Hektar Rebfläche eine bemerkenswert große Vielfalt an Terroirs zu bieten. Der Osten des Weinviertels wird geologisch dem Wiener (und dem Korneuburger) Becken zugeordnet. Neben Löss, Lehm oder Kalkstein finden sich hier Kies, Sand und Ton in einem eigenständigen Ablagerungsraum. Im Westen dieses Bereichs findet man als schmalen Streifen die Flyschzone, die zu den östlichen Ausläufern der Alpen gehört und das Korneuburger Becken umrahmt; auch der Bisamberg gehört zur dieser Zone. Flysch bezeichnet Gesteine, die zum Rutschen neigen, da sie aus einer Wechsellagerung aus harten Sandstein- und weicheren Mergelschichten bestehen.

Daran schließt die Waschbergzone als schmales Klippenband und Begrenzung zwischen dem westlichen und östlichen Weinviertel an. Sie zieht sich von Stockerau im Süden über die Leiser Berge und Falkenstein nach Norden. Durch gebirgsbildende tektonische Kräfte kam es vor 17 Millionen Jahren zur Hochschürfung von Kalklippen aus dem Untergrund. Der überragende Teil des westlichen Weinviertels besteht aus lockeren Sedimentgesteinen wie Ton, Schluff, Sand, Kies und Kalk. Die ältesten stammen von Ablagerungen fossilreicher Sedimente des Molassemeeres im Randbereich zur Böhmischen Masse.

Ganz im Westen schließlich, vor allem um Retz und Maissau, befindet sich die Böhmische Masse. Als Sammelbezeichnung für deren kristalline Gesteine wie Granit, Gneis und Schiefer hat sich umgangssprachlich der Begriff „Urgestein“ eingebürgert.

Klimatisch unterliegt das Weinviertel Einflüssen verschiedener Klimazonen: Aus dem Osten wirkt das kontinental-pannonische Klima ein, aus dem Süden gibt es mediterrane, aus dem Westen atlantische Einflüsse; dazu kommt kalte Luft aus dem Norden. Je nach Lage sorgen diese Einflüsse für unterschiedliche Zonen. Im Nordwesten um Retz etwa ist die Temperatur etwas gemäßigter bei knapp 2000 Sonnenstunden und unter 500 Millimeter Niederschlag, um Poysdorf im Osten gibt es am meisten Sonne, aber auch Regen bei etwas höherer Durchschnittstemperatur, noch etwas wärmer ist es dafür im Süden um Wolkersdorf.