Noch ist die erste Erste Lage in Österreich gar nicht zur Genehmigung eingereicht, möchten kritische Akteure die gesetzliche Verordnung dazu schon vor Gericht bringen. Eine neue Facette im Dauerstreit um die Klassifizierung mit hektischen Spekulationen und Schuldzuweisungen.

Kurz vor Weihnachten schlug bei Winzern und vinophilen Akteuren aller Art eine anonyme Rundmail auf und sorgte für hitzige Spekulationen. Die Betreiber einer Plattform namens „gluecklichelage.at“ dokumentieren darin – professionell gemacht – den seit Mitte 2023 gesetzlich vorgegebenen Weg, um eine Weinriede in Österreich künftig als Erste Lage, später auch als Große Lage, lukrativ klassifizieren lassen zu können. Und äußern gleichzeitig massive Bedenken.

Von Alleingängen der „Eliten“ ist da die Rede, von Gefährung demokratischer Prozesse und vielem mehr. Conclusio: gluecklichelage.at und deren anonyme Hintermänner und -frauen möchten die Stimmung vor allem unter Winzern ausloten und die gesetzliche Lagenverordnung verfassungsrechtlich prüfen lassen. Das Vehikel dazu wäre wohl eine Feststellungsklage. Auf deren Inhalt käme an, ob Verwaltungs- oder Verfassungsgerichtshof zuständig wären.

Vermögensverschiebung um hunderte Millionen Euro

„Die „Lage“ …. ist für Kunden von minderem Interesse. Die persönliche Note der Winzer, also vor allem, wie der Wein schmeckt, den die Kunden zu kaufen bereit sind, ist viel wichtiger“, sinnieren die Akteure und weiter: Worum geht es also dann? Es geht um Grundstücke und damit auch um Geld. Um viel Geld.

Mit der Weinrecht-Sammelverordnung 2023 wurde die Möglichkeit geschaffen, Vermögenswerte von gleich mehreren 100 Millionen Euro zu verschieben.“

Damit lässt sich gut Stimmung machen, hat doch schon die Schaffung des Riedenkatasters zuletzt für oft grenzenlosen, aggressiven Neid und Generationen übergreifenden Streit unter Weinbauern geführt.

Bis 15. Jänner 2024 mögen sich Interessierte und Betroffene an info@gluecklichelage.at wenden und mal bloß „Interesse bekunden“. Man werde danach weitere Informationen erhalten. Vorerst agieren die Drahtzieher der Aktion im Dunklen – illegal, weil das Gesetz zwingend verlangt, dass bei Homepages ein Impressum öffentlich einsehbar sein muss, das die Betreiber identifiziert. Eine Ermahnung der Datenschutzbehörde riskiert man freilich augenzwinkernd.

Lunte brennt, Spekulationen haben Hochbetrieb

Die Lunte brannte also mal über die Feiertage. Wer steckt dahinter, wer zündelt schon wieder, wer hat an der Eskalation Interesse? Spitzenwinzer Michael Moosbrugger, Bundesobmann der Österreichischen Traditionsweingüter (ÖTW), spekulierte intern und ortete mögliche Wurzeln in der Wachau. Das wiederum brachte Vinea Wachau-Obmann Emmerich H. Knoll auf die Palme: „Vinea Wachau hat bekanntermaßen eine kritische Haltung zur Klassifizierung in der derzeit geplanten Form. Das habe ich auch in allen Gremien gesagt, Michi Moosbrugger weiss das, wir haben auf vielen Sitzungen darüber diskutiert. Inhaltlich ist die „Glückliche Lage“ auch gar nicht unsere Position. Die Vermutung, dass die Vinea oder gar das regionale Komitee hinter einer anonymen Homepage stehen könnten, enttäuscht mich allerdings sehr.“

Vinea Wachau dementiert: „Ist nicht unsere Position“

Für Knoll hat die Klassifizierung derzeit auch nicht oberste Priorität. Ob diese kommen wird, steht eher in den Sternen. „Das Potential und das Renommee der Wachauer Spitzenlagen muss nicht durch eine weitere Auszeichnung hervorgehoben werden, die Qualität und Bedeutung der Weine sprechen für sich, im Vordergrund stehen der Charakter und die Typizität eines Weines, die Wiedererkennbarkeit der Herkunft. Der Name der Lage sollte wichtiger sein als sein Klassifizierungsgrad.“

Gelassen sieht die Diskussion auch ÖTW-Chef Michael Moosbrugger, wenn auch mit anderem Zugang: „Uns ist das grundsätzlich auch egal, aber ich finde es eigentlich ganz gut, wenn jemand eine gerichtliche Überprüfung JETZT anstrebt und nicht erst in ein paar Jahren, wenn das System schon läuft. Es wird überall viel Geld in die Hand genommen für die Vorarbeiten, da tut Rechtssicherheit ganz gut. Wer ein Problem mit der Klassifizierung hat, soll jetzt die Instanzen anrufen.“ Er, Mossbrugger, sei „gar nicht so unglücklich über gluecklichelage.at.“

ÖTW-Moosbrugger „nicht unglücklich über gluecklichelage.at“

Die Hintermänner (w/m) ortet Michael Mossbrugger aber nicht in Kreisen seiner rund 80 Mitgliedsbetriebe, wiewohl er natürlich Alleingänge nicht ausschließen könne. Den theoretischen Einwand, Vereine wie ÖTW und STK (Steirische Terroir- und Klassikweingüter), würden von einem Stopp der gesetzliche Klassifizierung profitieren, weil sie ihre Vereinsklassifizierungen – Beispiel: 1ÖTK, GSTK – behalten könnten, weist Obmann Moosbrugger als lächerlich zurück.

Gut möglich auch, dass es sich bei den Drahtziehern der Aktion um periphere Stakeholder der Szene handelt, die einfach kampagnisieren möchten. Ähnliche Muster traten zutage rund um die Auseinandersetzungen wegen des kommenden (und massiv geförderten) Guide Michelin Österreich. Schon als der Michelin-Zug nach langer Reise in den Bahnhof einfuhr, taten manche Akteure so als hätten sie die Reise organisiert.

Die Weinbaupolitik hält sich bedeckt, möchte nicht spekulieren, sieht den Prozess der gesetzlichen Lagenklassifizierung in keiner Form gefährdet. Motto: Wir sind gut aufgestellt, das Regelwerk steht auf breitem Konsens und ist minutiös erarbeitet. Sollte also im Fall des Falles auch wasserdicht sein.

Vinaria hat an die Adresse info@gluecklichelage.at eine Email mit der Bitte um Information geschickt, ebenso an den Grazer Hostbetreiber Abaton. Während Abaton auf den Datenschutz verwies, kam von gluecklichelage.at keine Antwort.