Albert Gesellmann über die interzelluläre Vergärung seines Top-Blaufränkischen hochberc aus der Ried Hochberg, warum er mit hohen Alkohol- und Säurewerten bestens umgehen kann, über „ein Maul voll Wein“ und warum er sich vom Jahrgang 2024 Großes erwartet.

2022 Blaufränkisch hochberc BG, Weingut Gesellmann © Weingut Gesellmann

Vinaria: Ihr Top-Blaufränkischer „hochberc“ von 2021 hat erneut für Aufsehen gesorgt. Was hat es mit dieser Riede auf sich, und wie wird dieser Wein ausgebaut?

Albert Gesellmann: Die Riede Hochberg ist eine nach Süd-Südwest ausgerichtete Hanglage, deren Oberboden aus sandigem bis schwerem Lehm besteht, während man im Unterboden bald auf Kalksandstein trifft. Nach der Handlese werden die Trauben in offenen Holzbottichen spontan vergoren; allerdings werden die Beeren seit der Ernte 2019 nicht mehr gepresst, sodass die Gärung interzellulär einsetzt. Im neuen Gärkeller gibt es kein Pumpen mehr, die Trauben und Moste werden nur mehr mittels Gravitation befördert. Die Maischestandzeit dauert im Regelfall 40 Tage; nach dem Abpressen darf der Jungwein dann 30 Monate in 500-Liter-Fässern heranreifen.

Vinaria: Uns ist aufgefallen, dass beide Jahrgänge bei stattlichem Alkoholgehalt ungewöhnlich hohe Säurewerte aufweisen.

Albert Gesellmann: Im Jahr 2021 folgte auf den relativ regnerischen und kühlen August eine lange herbstliche Schönwetterperiode mit kühlen Nächten. Mir fiel beim Verkosten der Beeren auf, dass sich die gewünschte Reife erst langsam einstellte. Der Blaufränkisch „hochberc“ wurde überhaupt als letzter am 26. Oktober gelesen, so spät wie noch nie. Mir ist die „physiologische Reife“ einfach wichtig, und dafür nehme ich höhere Alkoholwerte in Kauf. Die hohe Säure hat mir anfangs Sorgen bereitet, denn die Überlegung, wann so ein extremer Wein überhaupt trinkbar sein wird, lag ja auf der Hand. Eingriffe zwecks Entsäuerung kommen für uns prinzipiell nicht infrage, und siehe da: Es hat sich alles bestens entwickelt, heute ist die Säure perfekt integriert.

Vinaria: Nachdem zuletzt der 2020er „hochberc“ beeindruckt hatte, konnte nun Ihr Flaggschiff „G“ aus diesem Jahrgang reüssieren. Was war das Erfolgsgeheimnis in diesem kniffeligen und daher oft unterschätzten Weinjahr?

Albert Gesellmann: 2020 war bei uns im Mittelburgenland eigentlich ein warmer Jahrgang, und so begannen wir am 17. September bei herrlichem Herbstwetter mit der Hauptlese. Die Weine waren schon in der Jugend sehr zugänglich, rund und mit saftigen Tanninen in perfekter Balance. Wenn man heute einen 2020er Top-Rotwein verkostet, so kann man sich immer auf „ein Maul voll Wein“ freuen. Eine rassige Säurestruktur ist aber auch hier vorhanden, was ich unter anderem auf den sehr kalkreichen Unterboden unserer Blaufränkisch-Lagen zurückführe. Außerdem nehmen wir schon im Weingarten eine sorgfältige Selektion vor; der zweite wichtige Schritt erfolgt nach der Traubenübernahme durch eine optische Sortieranlage, sodass wir ausschließlich perfektes Traubengut verarbeiten.

Vinaria: Was dürfen wir uns von den drei nächsten Rotweinjahren, also 2022, 2023 und 2024, erwarten?  

Albert Gesellmann: 2022 war bei uns von der lang anhaltenden Trockenheit geprägt, deren Folge extrem kleinbeerige Trauben mit enormem Tanningehalt waren. Die ganz dunkelbeerigen, kraftvollen Weine sollten jedenfalls für einen ausgezeichneten Jahrgang stehen. 2023 konnte ich lange Zeit nicht so richtig einschätzen, weil die Rotweine von Anfang an schon so rund und entgegenkommend, ja angenehm zu verkosten gewesen waren; mittlerweile glaube ich aber, dass sie sich kontinuierlich und sehr schön entwickelt haben und sich 2023 nahtlos in die Serie sehr guter Rotwein-Jahrgänge einfügen wird. 2024 hat bei uns nach einer wieder langen Trockenperiode durch die Bank bislang unbekannte Zuckergradationen gebracht. Sehr kleine, dickschalige Beeren haben offensichtlich hoch konzentrierte Jungweine ergeben, die sich zu einem ganz großen Jahrgang entwickeln könnten. 

 

Topliste Premium Rotweine 2022

18,4Bioweingut Schreiner2022 Hennry (CS,BF) BG
18,1Weingut Gesellmann2022 Blaufränkisch hochberc BG
17,8G+R Triebaumer2022 Blaufränkisch Ried Plachen BG
17,7Weingut Krutzler2022 Perwolff (Blaufränkisch) BG
17,5Weingut Philipp Grassl 2022 Ried Bärnreiser 1ÖTW CA
17,5Gerhard Markowitsch 2022 Rosenberg BG
17,3Weingut Krutzler2022 Merlot BG
17,3Gerhard Markowitsch 2022 Ried Kirchweingarten Zweigelt CA
17,2Markus Iro2022 SL Ried Herrschaftswald BG
17,1Werner Achs2022 XUR BG
17,1Weingut Philipp Grassl 2022 SL Alte Reben NÖ

 

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