40 Jahre-Jubiläum, Steinfederpreis, ein prominenter Austritt und ein Blick in die Zukunft: Vinaria Herausgeber Erwin Goldfuss ging mit Vinea-Obmann Emmerich H. Knoll zum Interview auf ein Glas. Dort redet der prominente Winzer Klartext.

Vinaria: Nach dem Wachauer Leuchtturm-Weingut F.X. Pichler, das der Vinea 2020 den Rücken kehrte, verabschiedete sich nun der Spitzer Topwinzer Franz-Josef Gritsch. Bröckelt Vinea Wachau?

Emmerich H. Knoll: Ganz sicher nicht! Es ist natürlich immer schade, wenn jemand geht und wir uns fragen müssen, warum wir ihn nicht von unserem Konzept für die Wachau überzeugen konnten. Aber wir sind halt ein inhomogener Verein mit rund 200 Mitgliedern, das sind fast alle Weinbauern der Wachau. Da kann man es nicht jedem recht machen und muss sich am gemeinsamen Ziel orientieren.

Vinaria: Die Parallelen zwischen F.X. Pichler und F.J. Gritsch liegen auf der Hand, beide sind ein erheblicher Teil der Wachauer Spitzenwinzer.

Emmerich H. Knoll: Man muss das relativ sehen. Es sind zwei bekannte Namen, aber kein erheblicher Teil der Spitzenwinzer. Von der Fläche her schon gar nicht. Wir reden im aktuellen Fall von 15 Hektar in Relation zu über 1.300 Hektar. Alleine die Domäne Wachau, ein sehr stabiler und konstruktiver Partner, betreut davon über 400 Hektar.

Vinaria: Aber die Außenwirkung…?

Emmerich H. Knoll: Lassen wir die Kirche im Dorf. F.X. Pichler hat damals für viel Aufsehen gesorgt, er ist einer der bekanntesten Winzer Österreichs, vor allem auch international, F.X. eine der wertvollsten Weinmarken im Land. Das ist wirklich kein Vergleich zum aktuellen Austritt.

„Smaragd & Co. stehen für Weinstile, nicht für Alkohol“

Vinaria: Die Argumente sind aber ident: Auch Gritsch attackiert medial die Einteilung nach Alkoholgraden?

Emmerich H. Knoll: Das ist, glaube ich, nur ein Nebenschauplatz, weil das Regelwerk für diese weltbekannten Marken viel mehr Kriterien anlegt. Die Marken stehen für Weinstile und bieten den Konsumenten seit vier Jahrzehnten eine wichtige Orientierungshilfe bei der Essensbegleitung oder beim Alterungspotential, auch für persönliche Vorlieben. Immer sind damit aber auch andere Werte verbunden: Keine Aufzuckerung, kein Holzgeschmack, trockenes Geschmacksbild, Verzicht auf den Einsatz von Erntemaschinen. Darüber sollte generell wieder mehr gesprochen werden.

Vinaria: Was hat es dann mit der latenten Alkoholdiskussion auf sich?

Emmerich H. Knoll: In Bezug auf die Wachau ist das meist vorgeschoben: In den Regeln für Steinfeder, Federspiel sind heute besonders die Maximalwerte von Bedeutung. Die Bandbreiten sind weit gefasst und lassen den Winzern sehr viel individuellen Spielraum. Für Smaragd sind zum Beispiel nur mindestens 12,5 Volumenprozent vorgeschrieben, bei der Reserve in vielen DAC-Regelungen sind es meist 13 Prozent. Unser Demeter-Vorzeigebetrieb, der Nikolaihof der Familie Saahs, macht mit diesen Werten seit Jahrzehnten erstklassige Smaragde. Keiner der beiden Ausgetretenen hatte einen Topwein im Sortiment, der bei 12,5 Prozent lag, im Gegenteil, die bekanntesten Weine lagen bis jetzt zwischen 13,5 und 14,5 Prozent.

„In fast jeder DAC Verordnung sind Alkoholwerte festgelegt“

Vinaria: Es definiert aber nicht nur Vinea Wachau Mindestgrenzen?

Emmerich H. Knoll: Genau, fast in jeder DAC-Verordnung in den österreichischen Weinbaugebieten werden entlang der Weinpyramide Mindestalkoholwerte gesetzlich definiert. Daran stößt sich aber niemand.

Vinaria: Muss ein Winzer zwangsläufig aus der Vinea austreten, wenn er deren Marken nicht am Etikett verwenden möchte?

Emmerich H. Knoll: Natürlich nicht, die Marken sind ja nur ein Angebot. Wir haben viele Winzer, die diese Marken nur für einen Teil ihres Sortiments verwenden. Umgekehrt muss man auch nicht viel Getöse machen, wenn man austritt, da genügt ein eingeschriebener Brief. Alles andere würde ich den jeweiligen Egos zuordnen.

Vinaria: Wo sehen Sie die drei Marken in Zukunft?

Emmerich H. Knoll: Wir werden die aktuelle Situation sicher zum Anlass nehmen, um das Profil der Marken nachzuschärfen und wieder den Grundnutzen in den Fokus rücken. Neben der angesprochenen Weinstilistik gibt jede dieser Marken den Konsumenten Hilfestellung in der Auswahl und Einschätzung des passenden Wachauer Weines: Geschmacksprofil, Holzeinsatz, Reifegrad, Lagerpotenzial, Speisenbegleitung.

„Wer austritt, braucht sich ja an gar nichts zu halten….“

Vinaria: Klingt alles sehr harmonisch; warum tritt dann ein Winzer trotzdem aus der Vinea aus?

Emmerich H. Knoll: Vielleicht, weil er volle Freiheit in seiner Arbeit als Weinmacher haben möchte. Wer nicht Mitglied ist, braucht sich auch nicht an den Codex zu halten, der ja viel mehr regelt als Zuckergrade.

Vinaria: Kritiker meinen außerdem, dass durch die Einführung der Herkunft DAC Wachau man Vinea und ihre Marken eigentlich nicht mehr braucht?

Emmerich H. Knoll: Das kann man so sehen, muss man aber nicht. Grundsätzlich sind die beiden Systeme – DAC und unsere Marken – ganz unterschiedlich. DAC regelt die Herkunft, die Marken stehen für Stil, Typus, Ausbau und greifen über Orts- und Riedengrenzen hinweg.

„Am Ende möchte ich wissen, was ich im Glas habe“

Vinaria: Kennen sich die Konsumenten da aus?

Emmerich H. Knoll: Deshalb müssen wir an die Kunden, an die Weingenießer denken, nicht nur an Winzer und Weinbaupolitik oder Weinfreaks und Top-Sommeliers, die ein immenses Wissen besitzen. Diese totale Hinwendung zur Herkunft verwirrt viele Kunden, diese wünschen sich breitere Informationen zum Wein und wollen nicht nur über Lagen, Terroir und Mikroklima reden. Am Ende möchte ich schon wissen, was ich mir von einem Wein erwarten kann, wie ich ihn einsetze, welche Sorte ich im Glas habe.

Vianria: Sind die Konsumenten mit den Herkünften überfordert?

Emmerich H. Knoll: Wir sehen Weinstil (Steinfeder bis Smaragd) und Herkunft (DAC-System) nicht in Konkurrenz zueinander, sondern ergänzend: neben dem Beschreibenden WAS kann ich mir von einem Wein erwarten (Einsatz zum Essen, Lagerpotential), findet auch das Erklärende WARUM schmeckt dieser Wein so (Herkunft also Boden, Klima, Exposition) Platz. Wir haben alleine in der Wachau rund 100 Rieden. Wer kennt schon ad hoc 20 oder 30 davon? Die wenigsten.

Vinaria: Wie würden Sie den Wert der Marken Steinfeder, Federspiel, Smaragd einschätzen?

Emmerich H. Knoll: In Zahlen kann man das natürlich nicht fassen, obwohl die drei Marken sicher hohen Wert haben, schließlich wurden diese durch 40 Jahre aufgebaut. Ideell ist der Markenwert enorm. Wie viele österreichische Weinmarken gibt es denn, die halbwegs so bekannt sind und im absoluten High-end-Segment positioniert sind? Wenn die Menschen etwas mit Wein aus der Wachau verbinden, sind es vor allem Federspiel und Smaragd. Gerade im Ausland und je weiter weg man von Österreich kommt, um so stärker ist das ausgeprägt.

Vinaria: Fürchten Sie die Gründung eines Zweigvereins Wachau der Österreichischen Traditionsweingüter (ÖTW), die ja sehr expansiv sind?

Emmerich H. Knoll: Ich fürchte mich grundsätzlich nicht. Die Wachau mag zwar attraktiv sein für solche Überlegungen, ist aber zu klein für mehrere starke Interessenvertretungen. Wo wäre denn der Vorteil für einen Wachauer Betrieb in den ÖTW?

Vinaria: Vinea steht vor der Umsetzung des Großprojekts der gemeinschaftlichen Zertifizierung „Nachhaltig Austria“ aller Mitgliedsbetriebe. Wie ist der Status?

Emmerich H. Knoll: Mit dem – wohl ausgezeichneten – Jahrgang 2023 werden die allermeisten Betriebe diese Zertifizierung haben. Jeder musste das Verfahren für sich abwickeln, ich bin schon gespannt.

Vinaria: Muss die Vinea verlassen, wer das Zertifikat nicht hat?

Emmerich H. Knoll: Keinesfalls, es ist nur an die Verwendung der drei Marken gebunden, die wir damit weiter aufladen. Außerdem unterstützen wir unsere Mitglieder auf dem Weg, wo immer wir können, ich denke, es ist für alle zu schaffen.

„Neben Nachhaltig Austria testen wir ein Bio-Zertifikat“

Vinaria: Wir hören, es wird auch über ein zweites Zertifikat nachgedacht?

Emmerich H. Knoll: Mittelfristig möchten wir ein weiteres Zertifizierungssystem etablieren, das die Nachhaltigkeit einschließt, aber stärker in Richtung bio geht. Ein Entwicklungsprojekt mit einem Betrieb bereiten wir gerade vor. Ist das erfolgreich, stehen unseren Mitgliedern dann beide Systeme wahlweise zur Verfügung.

Vinaria: Die Wachau wird sich absehbar nicht an der Lagenklassifizierung beteiligen?

Emmerich H. Knoll: Wir warten ab und sehen uns das ganz genau an. In der derzeitigen Verordnung dazu sehe ich kein Umsetzungspotential für die Wachau. Eine Klassifizierung zur Ersten oder später Großen Lage hilft nur den Rieden, die ohnehin schon bekannt sind; dies wird zusätzlich einzementiert. Für uns sind die Standortfaktoren und das Qualitätspotential im derzeitigen System unterrepräsentiert, dafür wird stark auf die Relevanz hingewiesen, also das Standing am Weinmarkt. Ich glaube, dass diese Art der Klassifizierung den Blick auf die Einzigartigkeit des Terroirs verstellt.

 

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