Die Wiener Kaffeehauskultur, die Heurigenkultur und der Wiener Walzer sind bereits als immaterielles Kulturerbe in Österreich von der UNESCO anerkannt. Nun streben die traditionellen Imbissstände der österreichischen Hauptstadt an, die Wiener Würstelstandkultur ebenfalls in diese nationale Liste aufzunehmen.

Angeblich der älteste Wiener Würstelstand am Döblinger Gürtel 2, in 1190 Wien: der Standplatz wohlgemerkt, nicht kompakte Bau. © Würstelstand Leo

Die Existenz der Würstelstände – einer uralten Wiener Institution – ist nach Ansicht der Organisatoren bedroht, da sie zunehmend von Pizza, Döner und asiatischen Nudelboxen verdrängt werden. In der Tat ging die Zahl der echten Würstelstände in der Bundeshauptstadt in den vergangenen Jahrzehnten beständig zurück. "Wir wollen eine Art Qualitätssiegel für Wiener Würstelstände schaffen", so Patrick Tondl, einer der Initiatoren des Vorhabens, laut Medienberichten.

Seit 1928 betreibt Tondls Familie den Würstelstand Leo am Döblinger Gürtel im 19. Gemeindebezirk, den ältesten der Stadt. In Wien gibt es insgesamt nur noch 180 solcher Stände, die teils rund um die Uhr Würstchen mit Brot, Senf und Kren auf Papptellern servieren. Vor zehn Jahren gab es laut Wirtschaftskammer Wien noch deutlich mehr, viele haben jedoch mittlerweile andere Gerichte im Angebot.

„Eitrige mit an Buckel und an 16er Blech“

An den Ständen gehe es nicht nur um das Essen, sondern auch um Begegnung und gesellschaftlichen Kontakt, betonte Tondl. Am Würstelstand sind alle Kunden gleich, ob Topbanker oder jemand, der die letzten Euros zusammenkratzt, um sich eine „Haaße“ (Burenwurst), eine Bratwurst, eine Waldviertler (geräuchert), ein Frankfurter oder Debreziner Würstel zu kaufen. Oder die berühmt gewordene „Eitrige mit an Buckel und an 16er Blech“, das ist eine Käsekrainer mit Schwarzbrot-Scherzerl und einer Dose Ottakringer Bier (kommt aus dem 16. Wiener Gemeindebezirk). Am Würstelstand kann jeder mit jedem (w/m) auf Augenhöhe reden und trotz hoher Inflation noch immer für weniger als zehn Euro essen und trinken.

Wiener Würstelstandkultur seit der Kaiserzeit

Zum Schutz dieser Wiener Institutionen schlossen sich die Besitzer von 15 Ständen zu einer Lobbygruppe zusammen und reichten bei der österreichischen UNESCO Dependance den Antrag ein, die Wiener Würstelstandkultur in die Liste des immateriellen Kulturerbes aufzunehmen. Unterstützung gibt es auch von Bürgermeister Michael Ludwig. Schon seit 1969 vergibt die Stadt Wien feste Standplätze, doch die Tradition der Straßenstände reicht bis in die Kaiserzeit zurück. Damals zogen die Würstelverkäufer durch die Stadt und boten ihre Waren an.

Patrick Tondls Wiener Würstelstand Leo muss auch schon mal als Konzertbühne herhalten. © Würstelstand Leo