Vinaria hat sich einmal mehr in Südtirol umgesehen und zum Teil seltene sowie im Ausland weniger bekannte Weine entdeckt. Eine Rundreise in einem spannenden Weinland mit Kostnotizen.

Landgasthof und Weingut Seeperle

Das Hotel Seeperle am Kalterer See an der Weinstraße gibt es seit drei Generationen. Wesentlich jünger ist das zugehörige Weingut. Ingrid und Arthur Rainer keltern seit 2013 die Trauben aus den familieneigenen Rieden Barleit, Lavardi und Hochleiten in der eigenen Kellerei. Angebaut werden die für Südtirol typischen roten und weißen Rebsorten, zum Teil in zusätzlichen Weingärten.

Wein sei eine emotionale Angelegenheit und soll auch bei den Konsumenten Emotionen wecken, ist man hier überzeugt. Absolut individuell, um nicht zu sagen extravagant, sind die Weinbezeichnungen und die Etiketten, zum Beispiel der Sauvignon Blanc namens „echt geil“ oder der Cabernet Sauvignon „Höhepunkt“, den wir hier vorstellen. Die Trauben für diesen Wein reifen auf rund 250 m Seehöhe auf einem trockenen, schottrig-sandigen Boden mit hohem Kalkgehalt. Gerebelt wird händisch. Die 16 bis 20 Tage dauernde Maischegärung läuft in Stahlfässern ab, ebenso der biologische Säureabbau. Dann folgen 24 bis 30 Monate Lagerung in neuen Barriques. Zur Abrundung kommt der Wein nochmals für ein Jahr in einen Edelstahltank, und gleich lang verbringt er vor dem Verkauf in der Flasche. Vom 2017er gibt es 900 Flaschen.

KOSTNOTIZ:

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2017 Höhepunkt Cabernet Sauvignon Riserva

Im Bukett ist hochreifes Lesegut zu erkennen, getrocknete Cassis-Beeren, Zigarrenkiste, Hauch Walnüsse, tief im Glas eine Prise roter Paprika; überraschend präzise, viel dunkle Frucht, feine Würze, hauchzartes Säurerückgrat, noble Tannine, Struktur, hinten wieder Walnüsse und paprizierte Noten, hat Leben und animierenden Zug, gute Länge.

Castel Sallegg

Castel Sallegg ist ein alter Adelssitz, das Schloss stammt aus dem 15. Jahrhundert. Seit 1851 steht es in Familienbesitz. Im Zuge der Erbfolge kam es von Erzherzog Rainer von Österreich über den Fürsten von Campofranco an die Grafen von Kuenburg. Der älteste Keller, heute 10 m unterhalb des Schlosshofes gelegen, dürfte auf das zwölfte Jahrhundert zurückgehen. Zum Besitz gehören 30 ha Weingärten, davon sind zwei Drittel mit roten Varietäten bepflanzt. Die weißen Sorten wurzeln auf rund 500 m Meereshöhe in kalkhaltigen Schotterböden.

Die Rotweine gedeihen unter günstigen kleinklimatischen Bedingungen auf sandig-lehmigen, von kalkigem Schotter durchsetzten Untergründen in 230 bis 280 m Höhe an den Ufern des Kalterer Sees. Das Sortiment umfasst die Linien Nobilis, Serenis und Imperialis. Nachhaltigkeit wird auf Castel Sallegg gelebt. So wurde 2022 eine innovative, exklusive Leichtflasche aus 100 % Recyclingglas eingeführt.

Die Trauben für den Vorzeige-Merlot des Hauses stammen aus dem historischen Weinberg Nussleiten, gerade einmal 0,5 ha groß und aus acht Rebzeilen bestehend. Pro Trieb wird nur eine Traube belassen. Dieser Wein aus der Imperialis-Linie reift 18 bis 24 Monate in neuen Barriques und mindestens ein Jahr in der Flasche, bevor er in den Verkauf kommt. Für die Besitzerfamilie ist der Nussleiten der Grand Cru des Weingutes.

KOSTNOTIZEN:

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2017 Merlot Nussleiten

Klar konturiertes Bukett, viel dunkle Frucht, Pflaumen, ätherische Würze, kühler Hauch; kräftig, Tanningrip, dunkelfruchtig, Prise Pfeffer und roter Paprika, für diese Varietät und Herkunft ungewohnt animierendes Säurespiel, Frucht und Würze ausgewogen, gut integriertes Holz, lange und anhaltend.

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2016 Merlot Nussleiten

Unverkennbare, aber nicht vorlaute Sortenaromatik, getrocknete Tomaten, dunkle Beerenfrucht, ein Hauch Kakaopulver, dunkle Schokolade, Efeu, unauffälliges Holz; viel dunkle Frucht, getrocknete Kräuter, Tomatenrispen, belebende Säure, akzentuierte Gerbstoffe, hochgradig präzise, in keiner Phase ausufernd oder üppig, das neue Holz perfekt eingebaut, zieht durch, fast kühle Anmutung, so muss Merlot sein!

Baron di Pauli

Das Weingut Baron di Pauli blickt auf eine 300-jährige Geschichte zurück. Man belieferte den Kaiserhof in Wien ebenso wie den russischen Zaren in St. Petersburg. Der Betrieb besteht aus zwei Weinhöfen, dem neun Hektar großen Arzenhof bei Kaltern und dem fünf Hektar großen Höfl unterm Stein in Söll bei Tramin.

Mit den Weinen kommt man ungewohnt spät auf den Markt. Der aktuelle Jahrgang der Gewürztraminer-Reserve Exilissi zum Beispiel ist 2015. Die Trauben für diesen Wein wachsen im Höfl auf 480 bis 550 m über dem Meeresspiegel. Sie werden spät gelesen, teilweise in bereits getrocknetem Zustand, und 20 Stunden kaltmazeriert. Der Wein liegt im großen Holzfass für zehn Monate auf der Feinhefe. Auf dem lehmigen Kalkschotterboden stehen sowohl über 30 Jahre alte Pergelanlagen als auch neuere Drahtrahmenkulturen.

KOSTNOTIZ:

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2015 Gewürztraminer Riserva „Exilissi“, Baron di Pauli

Erste Reife, aber nicht alt, als Sorte klar erkennbar, getrocknete Rosen, getrocknete Kräuter, Mandarinen in der Schale, Marillen, reife Litschi; aromatisches Dacapo, für diese Varietät fast knackige Säure, klar strukturiert, Kraft, lebhaft, exotische Frucht und Kräuter im Abgang und im Nachhall.

Weingut Griesbauerhof

Schon seit 1785 residiert die Familie Mumelter auf ihrem Erbhof. Die vier Hektar Weinhänge liegen oberhalb von Bozen am unteren Rand des Weindorfes St. Magdalena auf einer Seehöhe von rund 300 m. Georg Mumelter ist nach eigener Definition das Urgestein am Hof. Unterstützt wird er von seiner Frau Margareth und den beiden Söhnen Michal und Lukas. Das Weingut ist Mitglied der Freien Weinbauern Südtirols.

2016 wurde erstmals eine ungewöhnliche Reserve vom Lagrein gekeltert, der Perflabilis, den wir in Vinaria vorgestellt haben. Die Trauben stammen aus einer einzigen Parzelle direkt hinter dem Griesbauerhof, die in alten Schriften „Windegg“ genannt wurde. Der Boden besteht aus sandigem Lehm porphyrischen Ursprungs. Die Riede wird im Frühjahr und im Sommer von Winden durchzogen, was den Hitzestress für die Reben mindert und für Frische sorgt.

Diese kleinklimatische Erscheinung war namensgebend. Die Bezeichnung des Weines leitet sich aus dem Lateinischen ab und bedeutet „durchwehbar, der freien Luft ausgesetzt“. Die produzierten Mengen sind gering. Aktuell ist der Jahrgang 2018, der ein Jahr in neuen Barriques ausgebaut wurde.

KOSTNOTIZ:

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2018 Perflabilis Lagrein Riserva

Blaue Frucht, Schwarzkirschen, Brombeeren, bisschen Lakritze, dunkle Würze; sanfte Säure, Tiefgang, feinmaschiges Gerbstoffnetz, präzise, Alkohol perfekt eingebaut, kühle Eleganz, nie üppig, hochreife Lagreinbeeren, im Finish auch Lorbeerblätter, im langen Nachhall gesellen sich Vogelbeeren dazu.

Kellerei Terlan

Um sich von den Großgrundbesitzern unabhängig zu machen, haben 24 Weinbauern im Jahr 1893 die Kellerei Terlan gegründet. Schon damals lag der Schwerpunkt bei den weißen Sorten; heute beträgt der Anteil rund 70%. Die Fokussierung auf Weißwein liegt einerseits am Mikroklima mit seinen ausgeprägten Temperaturunterschieden zwischen Tag und Nacht, andererseits an den eher kargen Verwitterungsböden aus Quarzporphyr mit Sedimenteinlagerungen. Die Weingärten liegen auf Höhen von bis zu 900 Meter.

Die Kellerei leistet Großartiges und ist vor allem für ihre extrem langlebigen Weißweine, die zum Teil für viele Jahre in Drucktanks auf der Hefe lagern, international höchst angesehen. Die 143 Mitglieder bewirtschaften 190 ha Rebfläche.

Das neue Flaggschiff des Betriebes nennt sich Terlaner Primo Grande Cuvée, eine Assemblage aus überwiegend Weißburgunder, knapp 30% Chardonnay und einer Prise Sauvignon Blanc. Die Erträge sind gering. Zum Einsatz kam eine schonende Ganztraubenpressung, die Gärung im großen Eichenfass ging langsam vor sich, die einzelnen Chargen durchliefen einen biologischen Säureabbau und lagen ein Jahr lang auf der Feinhefe, um im Mai 2021 vermählt zu werden. Gefüllt wurde im August 2021.

KOSTNOTIZ:

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2019 Terlaner Primo Grande Cuvée

(70 PB/28 CH/SB) Anfänglich sehr verschlossen, zeigt mit viel Luft markante Bodentöne, steinig, frische Frucht, Kräuter, hauchzarte pfeffrige Würze, kündigt Kraft an; Frucht und bodenstämmige Würze, kraftvoll, sehnig, monolithisch, steinig und eng im Abgang, im Finish macht sich die winzige Portion Sauvignon bemerkbar, beachtliche Reserven.

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Arthur Rainer im familieneigenen Weingarten © Weingut Seeperle
Matthias Hauser, Kellermeister von Castel Sallegg © Castel Sallegg
© Castel Sallegg
© barondipauli.com
Tradition dank Generation – Lukas Mumelter © Giesbauerhof
Die Kellerei Terlan zählt heute zu den führenden Winzergenossenschaften in Südtirol. © Kellerei Terlan