Vinaria hat sich einmal mehr in Südtirol umgesehen und zum Teil seltene sowie im Ausland weniger bekannte Weine entdeckt. Eine Rundreise in einem spannenden Weinland mit Kostnotizen.

Traditionelle und moderne Architektur der Kellerei Kaltern © Kellerei Kaltern

Im Fokus der vinophilen Fangemeinde stehen primär trockene Weiß- und Rotweine, in letzter Zeit haben auch edelsüße Gewächse von sich reden gemacht. Die Betriebsstrukturen im Land an Etsch und Eisack sind stark heterogen.

Kleine bis kleinste Winzer mischen ebenso ganz vorne mit wie große und etablierte Weingüter oder Kellereigenossenschaften. Diese Zusammenschlüsse vieler kleiner Weinbauern genießen in Südtirol und weit über die Grenzen des Landes hinaus hohes Ansehen.

Kellerei Kaltern

Gegründet wurde die Kellereigenossenschaft im Jahr 1900. Sie überstand die turbulente Zeit der k. u. k. Monarchie (deren Hoflieferant sie war), zwei Weltkriege und die Phase der Autonomiebewegung. Mehrere Fusionierungen prägen ihre Geschichte, die letzte ging 2016 über die Bühne, nämlich der Zusammenschluss der Erste+Neue Kellerei mit der Kellerei Kaltern zur Kellerei Cantina Kaltern mit 650 Mitgliedern und 450 Hektar Weinbaufläche. Heute zählt die Kellerei Kaltern zu den wichtigsten Betrieben Südtirols. Der Fokus auf Qualität hat sich bezahlt gemacht. So werden schon früh im Jahr für jede einzelne der mehr als 2.000 Parzellen individuelle Ertragsziele festgelegt, die in der Vegetationsphase vom Agronomen der Kellerei kontrolliert und bewertet werden. Traubenqualität hat oberste Priorität.

Teil dieses Erfolges sind Freiräume, in denen sich Kellermeister Andrea Moser bewegen und Grenzen ausloten kann. So hat er das Project XXX ins Leben gerufen; die drei X stehen für eXplore eXperiment eXclusive und damit für innovative, einzigartige und limitierte Weine. Wir stellen zwei Rotweine vor, von denen im aktuellen Jahrgang jeweils 1.333 Flaschen gefüllt wurden. Es gibt auch XXX Weißweine wie den Le Petit Prince aus Petit Manseng sowie eine etwas schräge Cuvée namens „Tabu!?“, ein als Rosé vermarkteter Wein aus je 50% Cabernet Sauvignon und Sauvignon Blanc, von dem es im Jahrgang 2020 lediglich 666 Flaschen gab. Der Tabu!? heißt so, weil es ihn in dieser Form – als Melange aus Rot und Weiß – eigentlich gar nicht geben dürfte.

Der Cabernet Sauvignon für den Cabarone wird in flachen Kisten geerntet und vier Wochen in einer Kühlzelle bei etwa 8 °C getrocknet. Dann werden die Trauben im Ganzen gepresst und im offenen Tonneau vinifiziert. Es folgt ein Ausbau für 20 Monate in neuen Barriques. Dazu sein Erzeuger: „Es ist kein Amarone, es ist auch kein Cabernet ... es ist Cabarone!“

Beim Syrah „L’Etranger“ hat sich Andrea Moser die Côte Rôtie zum Vorbild genommen: Weinbereitung mit ganzen Trauben in offenen Tonneaux, rund zwei Wochen Maischestandzeit, 18 Monate in neuen Barriques, Abrundung im großen Holz.

KOSTNOTIZEN:

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2019 Cabarone Projekt XXX

Kühl serviert zeigt sich ein feingliedriges Bukett, tiefe Schwarzkirschenfrucht, Mandelsplitter, Marzipan, hochreife Cassis-Beeren; dunkelfruchtig, feinste Gewürznoten à la Piment, zartes Säurespiel, elegantes und fein gewobenes Gerbstoffnetz, für diese Machart unerhörte Finesse, dabei mundfüllend, im langen Abgang auch getrocknete Preiselbeeren. Großer Wein mit Lagerpotenzial.

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2019 L’Etranger Projekt XXX

Elegantes und feingliedriges Potpourri aus dunkler Frucht und zarter Kräuterwürze, Pflaumen, frische Feigen, Cranberries, geschrumpfte Vogelbeeren, ein Hauch Herbes de Provence; aromatisches Dacapo, nobles Säurespiel zur Untermalung, zartes Netz aus reifen Gerbstoffen, glasklar strukturiert, Prise Pfeffer, lebendig, nie langweilig, Trinkfluss, gewisse Straffheit, hinten reife Preiselbeeren, kurz blitzt frische Minze durch, im langen Nachhall frischer Koriander. Macht Lust auf mehr, Handschrift des Kellermeisters erkennbar. Nomen est omen: in seiner Art ein Fremder in Südtirol.

Kellerei Kurtatsch

Die Kellerei Kurtatsch wurde im Jahr 1900 gegründet. Als Domizil diente der Renaissance-Ansitz Freienfeld. Mittlerweile sind 190 Familien an dieser Genossenschaft beteiligt, insgesamt bewirtschaften sie 190 Hektar Weingärten. Unter der Regie von Andreas Kofler, Präsident der Kellerei, kümmert sich ein 27-köpfiges Team um Produktion und Verwaltung. Die Weingärten sind überwiegend steil und liegen auf einer Seehöhe von 220 bis 900 Meter, was eine beachtliche Spanne darstellt. Die warmen tiefen Lagen sind für Rotwein prädestiniert. Der Untergrund besteht aus Kies und Lehm. Die höher gelegenen Rieden sind Weißweinen vorbehalten.

Kellermeister Othmar Donà schwebte schon länger eine Bordeaux-Cuvée höchster Qualität vor, gekeltert aus Trauben der besten Parzellen in der Lage Brenntal. Sie zählt zu den wärmsten Rieden Südtirols und profitiert nachts von den kühlen Fallwinden der Berghänge, die für frische Aromen und animierende Säure sorgen. Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc stehen auf durchlässigen, kiesigen Böden aus Dolomit-Kalk, der Merlot gedeiht auf sandig-lehmigem Untergrund. 2015 wurde erstmals der „TRES“ vinifiziert, der seit Anfang Oktober 2022 in limitierter Menge erhältlich ist.

Die Bezeichnung leitet sich sowohl von diesen drei Rebsorten ab als auch von den drei Zypressen im Logo der Kellerei. Zudem nimmt der Name Bezug auf das Tresner Horn, den höchsten Gipfel der Bergkette oberhalb von Kurtatsch. Zur Vinifikation die Kellerei im O-Ton: „Der Wein reift im Fass und in der Flasche so lange, bis sich das ideale Trinkfenster öffnet.“ Jedes einzelne Etikett der 2.120 Flaschen des aktuellen Jahrganges 2015 ist von der jungen Südtiroler Künstlerin Margit Pittschieler von Hand gemalt worden. Die Farbe hat sie aus dem Weinbergsboden gewonnen, auf dem die Trauben gewachsen sind. Als Motiv für den 2015er wählte sie eine Merlot-Parzelle in der Steillage Brenntal.

KOSTNOTIZEN:

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2015 TRES

(77 ME/20 CF/CS) Gesetzes, komplexes und gediegenes Bukett, erinnert an Bordeaux mit hohem Merlot-Anteil, anfänglich geben würzige Aromen à la Black Cardamom, Lorbeerblätter und getrockneter Liebstöckel den Ton an, daneben schwarze Oliven, mit Luft tritt eine dunkelbeerige Frucht in Erscheinung, hochreife Cassis-Beeren und Walderdbeeren, tief im Glas auch Kakaobohnen, roter Paprika und Gewürznelken, ein Hauch Leder; dieser vielschichtige Aromamix kommt auch auf dem Gaumen, klare Struktur dank eines reifen und fein gewobenen Gerbstoffnetzes und eines zarten Säurespiels, feine Pikanz, sehnig, nie plump oder wuchtig, Tiefgang, im Finish und im Nachhall Sternanis, roter Paprika, Cassis-Beeren und getrocknete Preiselbeeren. Ungekünstelter Wein mit Trinkfluss, Holz perfekt integriert, kein Blender. Wirkt trotz der warmen Lage Brenntal überraschend pikant, was dem Cabernet Franc geschuldet sein dürfte.

Weingut Kiemberger

Den Weinbauernhof Kiemberger in Terlan gibt es seit über 100 Jahren. Lange Zeit wurden hier Äpfel und Wein angebaut, vorwiegend wurde Viehwirtschaft betrieben, und man handelte mit Holz. 2007 hat sich die Familie ausschließlich dem Wein verschrieben. Mit seiner Jahresproduktion von rund 8.000 Flaschen gehört das Weingut zu den kleinen Betrieben. Auf 1,5 Hektar Rebfläche werden Chardonnay, Weißburgunder, Müller Thurgau, Riesling, Sauvignon Blanc, Lagrein und Pinot Noir angebaut, Cabernet Cortis rundet das bunte Portfolio ab. Winzer und Kellermeister ist Norbert Kofler. „Meine Weine sollen charaktervolle Originale sein, aus denen man die Eigenschaften von Boden und Jahrgang schmeckt“, sagt er. „Unser Wein ist alles andere als Mainstream, aber doch irgendwie klassisch.“

Der Lagrein gedeiht in Terlan in der Lage Kreuth auf einem kargen, durchlässigen und sandigen Porphyrverwitterungsboden. Ein Drittel der Trauben trocknet im luftigen Obergeschoß eines Stadels für zwei Monate auf einem Gitter, der andere Teil wird für einige Tage kaltmazeriert. Die Maischegärung erfolgt in kleinen Holzbottichen, nach dem Pressen liegt der Wein 30 Monate in Barriquefässern. Die Reben für den Lagrein Riserva „Rotes Bergwerk“ wachsen am Eingang eines ehemaligen Bergwerks.

Die Cuvée „Weißes Handwerk“ wird aus Chardonnay, Weißburgunder und Sauvignon Blanc aus den Lagen St. Nikolaus/Kaltern und Andrian gekeltert. Nach der Gärung, teilweise auf den Schalen, reift der Wein 20 Monate auf der Feinhefe im Holz, vorwiegend in Barriques.

KOSTNOTIZEN:

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2017 Rotes Bergwerk Lagrein Riserva

Ganz dunkle, fast schwarze Würze, Black Cardamom, Piment, rauchig, Lagerfeuer, Holzkohle, schwarzer Holunder, Brombeeren, Schwarzkirschen, Wacholderbeeren, mit Luft subtile Bodentöne; diese Aromatik kommt auch im Geschmack, zartestes Säurespiel, unaufdringliches und feinmaschiges Gerbstoffnetz, feingliedrig-mineralisch, nie schwer, sehnig, Porphyrboden kommt durch, elegant, rauchiges Finale, auch Anklänge von Orangenzesten, gute Länge.

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2019 Weißes Handwerk Mitterberg weiß

(CH/PB/SB) Kräftiges Bukett, lässt Substanz erwarten, anfänglich sortenindifferent, dann macht sich Sauvignon Blanc mit Kräutern à la Wermut und Kerbel bemerkbar, unauffälliges Holz, Heublumen, daneben Quitten, helles Steinobst, Bratäpfel, nussige Akzente, mit sehr viel Luft Pak Choi und Orangenzesten, die Burgundersorten gewinnen an Einfluss, wird immer präziser; stoffig, druckvoll, monolithisch, feste Struktur, Säure hält die mächtige Substanz in Zaum, Kräuter, Birnen, Quitten, Lageräpfel, hinten getrocknete Marillen, Bodentöne, sympathische Prise Gerbstoff, lang, ungewöhnlicher Wein, Lagerpotenzial. Braucht sehr viel Luft.

Kellerei Tramin

Zu einer Zeit, als viele Weinbauern in Südtirol keine Perspektiven mehr sahen, im Jahr 1898, wurde von Christian Schrott, Pfarrer von Tramin, die Genossenschaft Tramin ins Leben gerufen. Heute bearbeiten 160 Winzerfamilien insgesamt rund 270 Hektar Rebfläche. 1971 fusionierte die Cantina Tramin mit der 1893 gegründeten Genossenschaft Neumarkt. Im Portfolio finden sich prestigeträchtige Lagen wie die für Blauburgunder prädestinierten Rieden Mazzon und Glen.

Kellermeister Willi Stürz stellte in den 1990er-Jahren die Weichen in Richtung kompromissloser Qualität. Die 2009er Gewürztraminer-Spätlese „Epokale“ wurde von Parkers Wine Advocate mit 100 Punkten geadelt – als erster italienischer Weißwein überhaupt. Willi Stürz hat vermutlich alles abgeräumt, was es an Weinpreisen zu gewinnen gibt.

Weinbau wird von der Kellerei Tramin zu einem großen Teil in Hang- und Steillagen auf Höhen von 250 bis 850 m betrieben, die Bodenzusammensetzung ist abwechslungsreich, Lehm, Kies, Kalk und Porphyr sind anzutreffen. Der Temperaturunterschied zwischen Tag und Nacht ist ausgeprägt und sorgt für Rasse. Der Gewürztraminer, das Liebkind von Willi Stürz, gedeiht am besten auf mittlerer Höhe. In den Weinbergen in Richtung Kurtatsch fühlen sich Cabernet Sauvignon und Merlot besonders wohl, hier können sie ihre volle Reife entfalten.

Der Traminer Nussbaumer, das weiße Flaggschiff, hat die drei Gläser im Gambero Rosso gleichsam abonniert. Der Epokale genießt Kultstatus. Dieser rare Wein lagert gut sieben Jahre in einem Bergwerksstollen, dessen Eingang sich in 2.000 Meter Seehöhe befindet – knapp vier Kilometer weit im Berg bei konstant 11 °C und extrem hoher Luftfeuchtigkeit. Der Premierenjahrgang 2009 wies noch knapp 110 Gramm Restzucker auf, der jüngst lancierte 2015er nur noch 55 g/l.

KOSTNOTIZEN:
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2020 Gewürztraminer Nussbaumer

Als Sorte unverkennbar, dabei elegant und feingliedrig, frische Rosen, exotische Frucht – primär Litschi, daneben etwas Babyananas und reife Mangos, eine Prise Kräuter und frische Kokosnuss, nach 24 Stunden Mandarinen in der Schale; diese Automatik findet sich auch im Geschmack, lebhaft, ausgeprägte Frische, ausgewogen, lang, Kraft, im Finish wieder Tropenfrüchte, wobei hochreife Mangos den Ton angeben.

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2015 Gewürztraminer Epokale

Feingliedrig, nobel, Kräuter, Grapefruit- und Limettenzesten, Hauch Mandarinen und Mandarinenschalen, Wermut, Zitronenblüten, Rosen, Blütenhonig, Litschi, gelbe Birnen; vielschichtig und hochgradig elegant, saftig, jung, Frucht, Würze, hinten ein Hauch von Grapefruits, Mandarinen und deren Schalen, sanfter Druck, völlig unaufdringliche Süße, perfekte Balance, großartig, nahe an der Perfektion.

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Andreas Kofler, Präsident der Kellerei Kurtatsch © Kellerei Kuratsch
Wolfgang Klotz und Willi Stürz tief im Berg beim Epokale © Antie Braito
Kellerei Kurtatsch – bemerkenswerte Architektur © Kellerei Kuratsch