Vollgepackt mit reifen Fruchtaromen und erstaunlich offenherzig erwiesen sich die Premium-Rieslinge bei der großen Vinaria Sortenverkostung mit Schwerpunkt auf dem aktuellen Jahrgang 2023. Aus allen Riesling-Herkünften stammen großartige Weine. Der Jahrgang gilt als sehr gut, nicht als herausragend.

Blick von den Hirtzberger-Weingärten in der Ried Singerriedel auf den Burgberg in Spitz. © Julius Hirtzberger

Fraglos fulminant war wieder einmal die Performance der mit 17,5 Punkten und darüber bewerteten Fünf-Sterne-Weine, die auch zahlenmäßig deutlich über dem Vorjahr lagen. Für die große, positive Überraschung sorgten jedoch die mit vier Sternen ausgezeichneten Top-Rieslinge, die in einer derart ungewöhnlich hohen Anzahl die Verkoster erfreuten, wie man sie eher aus einem ganz großen Jahrgang erwartet hätte. Und ein solcher ist 2023 trotz aller positiver Aspekte nicht, denn dafür waren die Herausforderungen zu groß, welche die wiederholten Kapriolen der Witterung mit sich brachten.

Wachau: Spitz & Co haben die Nase vorn

Nach der Verkostung der Premium-Rieslinge lässt sich feststellen, dass sich Österreichs Spitzenrieslinge noch besser entwickelt haben, als man nach den Jungweinproben erhoffen durfte. Diese Eindrücke gelten für sämtliche Herkünfte, wenn auch zum Teil mit kleinen Einschränkungen. So fiel etwa auf, dass beispielsweise in der Wachau die Rieslinge aus dem westlichen Abschnitt offensichtlich bessere Voraussetzungen vorfanden als jene aus Dürnstein und von der Loibner Scheibe, wobei vor allem die aus Spitz und Umgebung stammenden Gewächse hervorstachen.

Müller aus Klöch ist die Steirer-Spitze

Aus den Riesling-Hochburgen der für diese Rebsorte prädestinierten Weinbaugebiete Kamptal, Kremstal und Traisental kamen eine ganze Reihe von Fünf- und Vier-Sterne-Weinen sowie zahlreiche mehr als zufriedenstellende Drei-Sterne-Formate. Überraschend erfolgreich haben auch die wenigen steirischen Exponate abgeschnitten, die übrigens zum Teil aus früheren Jahrgängen stammten, die weniger von kräftigen Niederschlägen betroffen waren, wie der eruptive Ried Seindl vom Klöcher Weingut Müller.

Prachtvoll gereifte Rieslinge aus 2022

Damit bietet sich die Überleitung zu den erst jetzt eingereichten Weinen des Vorjahres an (2022), die einige prachtvolle Exemplare präsentierten, allen voran die offenbar für die Ewigkeit konzipierten Alten Reben von Altmeister Willi Bründlmayer und die kristallklaren wie schneidigen Rieslinge der Wiener Weingüter Edlmoser und Kroiss sowie der ebenfalls exquisite, klirrend frische Irbling von Newcomer Gerhard Deim. Überhaupt waren die Kamptaler Rieslinge im Feld der besten 2022er tonangebend, wie auch die ausgezeichneten Rieslinge von Schloss Gobelsburg, Ludwig Ehn und Heinz Weixelbaum.

Besonders positiv gesehen wurden Klarheit und Vitalität sowie eine präzise Struktur der allerbesten Weine; saftige Fruchtaromen nach verschiedenen Steinobstsorten, Beeren und Zitrusfrüchten waren in den allermeisten Fällen ohnehin a priori gegeben.

Die Struktur der Weine, die sich aus Komponenten wie klarer Definition, Sortentypizität, der von hohem Extrakt herrührenden Dichte und vielem mehr zusammensetzt, ist wahrscheinlich jenes Manko, das den insgesamt erfreulichen Jahrgang auch in der Kategorie der Premium-Rieslinge von wahrhaft großen Jahren wie 2021 und 2019 unterscheidet.

Fulminante Spitze, beeindruckende Breite

Von den Wachauer Edelgewächsen haben die beiden hocheleganten Lagenweine des Weingutes Prager am besten reüssiert, was insofern bemerkenswert ist, als die Verhältnisse in den Weißenkirchner Rieden aufgrund der Hagelschäden schwierig zu meistern waren. Auffallend war die blendende Verfassung der rassigen, zumeist messerscharf strukturierten Spitzer Gewächse, wie sie die beiden Hirtzberger’schen Weingüter, Johann Donabaum und Franz-Josef Gritsch vorgestellt haben.

Aber auch die Riesling-Interpretationen von anderen Spitzer Weingütern, wie Hofstätter, Rixinger, Bayer oder vom Vogelleithenhof, wussten rundum zu überzeugen. Im östlichen Bereich rund um Dürnstein gefielen die außergewöhnliche Dürnsteiner Burg von Franz-Josef Gritsch sowie die lagentypischen Kellerberg-Versionen der Domäne Wachau und von Emmerich Knoll, der Höhereck des Weingutes Schmelz und die Lichtensteinerin von Hermenegild Mang. Die Fahne des rechten Ufers hielt wieder einmal das Weingut Sigl mit seinem kernigen Kirnberg Smaragd hoch.

Lady-Power: Birgit Eichinger ist die Nummer 1

Erneut einfach hervorragend war die Leistungsschau des Weinbaugebietes Kamptal, das sich zu einem wahren Hotspot für erstklassige Rieslinge entwickelt hat. Ganz ausgezeichnet präsentierten sich fast alle Gewächse vom Zöbinger Heiligenstein, wobei der exzellente Siegerwein von Birgit Eichinger und die schon erwähnten Alten Reben 2022 von Bründlmayer noch ein wenig herausragten.

Bemerkenswerte Rieslinge der Fünf-Sterne-Kategorie kamen aber auch vom Schönberger Weingut Gerhard Deim und von der Etsdofer Weingärtnerei Engelbrecht mit ihrem nicht nur punkto Preis-Leistungs-Verhältnis brillierenden „Graphit“. Rundum empfehlenswerte Rieslinge kamen auch von den Weingütern Schloss Gobelsburg, Brandl, Steininger, Ludwig Ehn, Barbara Öhlzelt, Aichinger und Weixelbaum.

Große Rieslinge aus Kamp-, Krems- und Traisental

Die Kremstaler Gewächse konnten auf breiter Front reüssieren, allen voran die ebenso kraftvollen wie glockenklaren Modell-Rieslinge von Franz Proidl. Immer einen Verkostungsschluck wert sind auch der Marthal des Vorspannhofs und die Moosburgerin vom Schwester-Weingut Buchegger sowie die 2023 stark verbesserten Rieslinge von Lukas Hagen und die immer verlässlichen Lagenweine von Petra Unger.

Aus dem Traisental punktete vor allem Tom Dockner mit seinem noch embryonalen Pletzengraben, und der Wagram war bei Josef Fritz gut aufgehoben. Aus dem Weinviertel gefielen der die sonnige Seite des Gebietes bestens hervorkehrende Gelsenberg von Gerhard Lobner und der rassige Röschitzer Mühlberg von Martin Blaha; mit einigem Abstand folgten dann der Karlsberg der Liechtenstein’schen Hofkellerei sowie die Riesling-Interpretationen der Weingüter Jordan und Dolinek.

Wien überproportional an der Spitze

Wieder einmal überproportional an der Spitze der Riesling-Phalanx waren die Wiener Gewächse aus den Maurer und Döblinger Toplagen vertreten, wobei von den beiden Stars, nämlich dem Sätzen von Michael Edlmoser und dem Hackenberg Julia von Roland Kroiss, ja bereits die Lobrede war. Gleich drei erfreuliche Exponate aus den bewährten Nussberger Rieden hat der Wiener Traditionsbetrieb Mayer am Pfarrplatz erfolgreich ins Rennen geschickt.

So gut wie alle genannten Rieslinge sich bereits jetzt gut verkosten und mit Genuss trinken, wobei die meisten ihre positiven Eigenschaften sicher fünf Jahre, mitunter auch zehn Jahre bewahren sollten. Für die mit fünf Sternen ausgezeichneten Gewächse und die besten „Viersterner“ sind jedoch generell anwendbare Limits der Reifezeit nicht sinnvoll, lehrt doch die Erfahrung, dass so manche Top-Rieslinge dieser Klasse den geduldigen Connaisseur noch bedeutend länger erfreuen können.

 

Topliste Riesling Premium aus Österreich

18,5Weingut Eichinger2023 Riesling Ried Zöbinger Heiligenstein 1ÖTW
18,3Weingut Proidl2023 Riesling Ried Ehrenfels Reserve 1ÖTW
18,1Weingut Bründlmayer2022 Riesling Alte Reben Ried Zöbinger Heiligenstein 1ÖTW
18,1Weingut Edlmoser2022 Riesling Kalkstein Ried Sätzen 1ÖTW
17,8Weingärtnerei Engelbrecht2023 Riesling Graphit Ried Wohra
17,8Weingut Prager2023 Riesling Wachstum Bodenstein Smaragd
17,8Weingut Gerhard Deim2022 Riesling Ried Irbling
17,7Weingut Johann Donabaum2023 Riesling Limitierte Edition
17,7Weingut Prager2023 Riesling Ried Klaus Smaragd
17,6Weingut Kroiss2022 Riesling „Julia“ Ried Hackenberg Sievering
17,5Weingut Johann Donabaum2023 Riesling Ried Setzberg Smaragd
17,5Weingut FJ Gritsch2023 Riesling Dürnsteiner Burg Reserve
17,5Vorspannhof Mayr2023 Riesling Ried Marthal 1ÖTW
17,4Weingut Hirtzberger2023 Riesling Ried Setzberg Smaragd
17,4Weingut Hirtzberger2023 Riesling Ried Singerriedel Smaragd
17,4Weinhofmeisterei Mathias Hirtzberger2023 Riesling Ried Kollmitz Smaragd
17,4Weingut Proidl2023 Riesling Ried Hochäcker Reserve 1ÖTW
17,3Domäne Wachau2023 Riesling Ried Kellerberg Smaragd
17,3Weingut FJ Gritsch2023 Riesling Ried Kalkofen
17,3Weingut Schloss Gobelsburg 2022 Riesling Ried Gaisberg 1ÖTW

 

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Birgit (links) und Gloria Eichinger haben großes G’spür für feinste Rieslinge aus allerbesten Lagen. Diesmal Siegerinnen der großen Vinaria Verkostung Riesling Premium aus Österreich. © Julius Hirtzberger
Patrick Proidl keltert herausragende Rieslinge in Senftenberg – heuer war wieder Ehrenfels am Stockerl. © Edwin Dullinger
Vermitteln Jahr für Jahr den Heiligenstein in all seiner Macht und Herrlichkeit: Thomas Klinger und Andreas Wickhoff mit Willi und Edwige Bründlmayer (v.l.). © Weingut Bründlmayer, Anna Stöcher
Michael Edlmoser, Spitzenwinzer aus Mauer im Süden Wiens. © Weingut Edlmoser
Wolfgang Englbrecht © Weingut Engelbrecht
Weingut Prager in Weißenkirchen: (v.l.) Robert Bodenstein mit Partnerin Sophie Hinterhözl, Toni und Ilse Bodenstein © Ralph Darabos
Gerhard Deim © Weingut Deim
Johann und Andrea Donabaum können auf ihre 2023er-Rieslinge stolz sein. © Florian Schulte
Aufsteigerin aus Wien: Julia Kroiss besitzt Talent und Können. © Steve Haider
FJ Gritsch: Heuer lag die Dürnsteiner Burg vor seinen Spitzer Lagenrieslingen. © Weingut FJ Gritsch
Mit Marthal im Spitzenfeld: Silke Mayr vom Vorspannhof mit Kellermeister Michael Nastl. © Andrew Phelps
Mit zwei Lagenrieslingen in der Flaschenparade vertreten: Die Riesling-Legenden Franz und Franz Hirtzberger. © Julius Hirtzberger
Zweifellos einer der vielversprechendsten Aufsteiger der Wachau: Mathias Hirtzberger von der Weinhofmeisterei. © Julius Hirtzberger
Erfolgsduo Roman Horvath und Heinz Frischengruber von der Domäne Wachau. © Rogl
Heuer mit Ried Gaisberg erfolgreich: Michael Moosbrugger vom Weingut Schloss Gobelsburg © Weingut Schloss Gobelsburg