Die vor allem in Ostösterreich bekannte Bäckerei Kasses aus Thaya im nördlichsten Waldviertel kann auf eine bewegte Erfolgsgeschichte zurückblicken, wird in vierter Generation von zwei jungen Schwestern geführt und feierte kürzlich das 100-jährige Bestehen.

Lena, Ingrid, Laura und Erich Kasses freuen sich über das 100 Jahre-Jubiläum ihrer Bäckerei. © Matthias Ledwinka

Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist Kasses die beste handwerkliche Bäckerei Niederösterreichs. Nicht von der Größe her, aber von der Qualität und überregionalen Bekanntheit. Ein guter Teil der Produkte wird täglich an die besten Adressen auch in Wien geliefert. Die Waldviertler machen zwar einen Bogen um Listings und Rankings, sind unter Genießern aber weithin bekannt. Und das seit Generationen. Kasses Brot ist in der Region praktisch in jedem Haushalt zu finden, überregional in Feinkostgeschäften und in der Gastronomie.

Die Geschichte des Unternehmens begann im Jahr 1891 mit der Geburt von Leopold Kasses, der im Jahr 1925 in wirtschaftlich schwierigen Zeiten in Thaya seine „Schwarz-Weiß-Bäckerei“ gründete. Die Bezeichnung kommt vom schwarzen Brot und hellem Gebäck, das dort gebacken wurde. Damals wurden Brot und Gebäck noch mit einem von Arbeitshunden gezogenen Leiterwagen ausgeliefert, später stellte Kasses auf ein Pferdefuhrwerk um. 1955 übernahmen Erich und Alfred Kasses die Bäckerei.

Rückbesinnung auf Großvaters Rezepte auf Tipp des Meinl-Chefs

Die Rückbesinnung auf die alten Methoden seines Großvaters kam mit Erich Kasses junior. Ihm gab Anfang der 1980er-Jahre Helmut Touzimsky, Chef des Gourmet-Tempels Meinl am Graben in Wien, das von der Bäckerei Kasses beliefert wurde, den Rat, zu den Rezepten seines Großvaters zurückzukehren. Über die Jahre sammelte Erich Kasses Erfahrung mit dem Sauerteig und verbannte Fertigmehlmischungen aus seiner Backstube. Laufend wurde von der Familie Kasses in den Betrieb investiert, in den vergangenen Jahren sechs Millionen Euro in langfristige Projekte. Die höchste Auszeichnung des Bäckergewerbes in Europa, der „Marktkieker“, hat Kasses bereits vor Jahren erhalten.

Frauenpower übernahm das Kommando

Mit Jahresbeginn 2021 übernahm die vierte Generation die Führung in der Bäckerei Kasses. Die beiden Meisterinnen Lena und Laura, Töchter von Ingrid und Erich Kasses, sind höchst motiviert und führen die Geschäfte seit 2021 in vierter Generation: „Es sind sicher sehr große Fußstapfen, in die wir getreten sind und es ist eine echte Challenge. Aber wir werden an den Herausforderungen wachsen“, so Laura Kasses. 

Lena und Laura lernten die Brotvernarrtheit ihres Vaters bereits in früher Kindheit kennen. Der Erfolg ihrer Vorgänger zeigt klar, dass sie alles richtig gemacht haben: „Wenige Zutaten, viel Zeit! Das war der Ursprung der Bäckerskunst und soll auch seine Zukunft sein.“ Bäckermeister Erich Kasses gab und gibt sein Wissen natürlich laufend an seine Töchter weiter. Aber auch seine internationale Reputation: Kasses war zum Beispiel der erste geprüfte „Slow Baker“ Österreichs und Miterfinder der Brotinnovation „Health Bread“.

Reifender Teig wird mit klassischer Musik beschallt

Der Erfolg der Kasses-Produkte ist deren einzigartiger Geschmack, der durch viel Zeit bei der Verarbeitung nur hochwertigster Zutaten erreicht wird. Für das Gelingen des Brotes ist neben Salz, Hefe und Wasser die Auswahl des Mehls entscheidend. Familie Kasses überlässt dabei nichts dem Zufall: Seit 2014 wird man auch zum Landwirt und baut Roggen für die Brote selbst an, selektiert die Getreidesorten nach besonderen Backeigenschaften und setzt dabei vor allem auf alte, regionale Vollkorn-Spezialitäten wie zum Beispiel den Champagner-Roggen.

„Eine weitere Besonderheit besteht darin, dass wir unsere Backwaren während ihres Reifeprozesses mit klassischer Musik beschallen. Wir sind davon überzeugt, dass dieser vielleicht etwas unkonventionelle Ansatz zu einer besonderen Reifung beiträgt. Die harmonischen Klänge begleiten den Teig bei der Entwicklung und schaffen eine ganz besondere Atmosphäre in unserer Backstube“, sind die Kasses-Schwestern überzeugt.

Gefragter Ausbildungsbetrieb, Lehrlinge gesucht

Mit Birgit Müller holte die Bäckerei Kasses schon vor Jahren auch internationale Erfolge bei Lehrlingswettbewerben. Lena und Laura Kasses betonten, dass sie auch in Zukunft weiter auf die Lehrlingsausbildung setzen wollen. Eine weitere Stärke der Bäckerei ist ihre Mitarbeiterbindung, die auch ein zentrales Thema bei der 100er-Feier war. Geehrt wurden langjährige Mitarbeiter, von denen der längstdienende seit fast 43 Jahren bei Kasses werkt. Mitarbeiter werden laufend gesucht, vor allem Bäckerlehrlinge.

© Matthias Ledwinka
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