Saubere, nachhaltige Aquakulturen werden wohl die Zukunft der globalen Fischproduktion sein, im Einklang mit der „Blauen Transformation“ der Welternährungsorganisation FAO. Seit zwei Jahren stammt mehr als die Hälfte der weltweiten Fischproduktion aus Aquakulturen.

Frische Doraden aus der Aquakultur Agroittica Toscana in Italien. © Gambero Rosso

Die FAO (Food and Agriculture Organization) ist eine Teilorganisation der Vereinten Nationen und erstellt für verschiedenste Nahrungsmittelsegmente jährliche, globale Situations- und Produktionsberichte, verbunden mit Projektionen in die künftige Entwicklung. Das Meer und die Flüsse können demnach nicht die einzige Quelle für die globale Fischproduktion sein, Aquakulturen werden in naher Zukunft stark an Bedeutung gewinnen.

Ernährung der Weltbevölkerung

Fisch und Meeresfrüchte tragen einen erheblichen Teil zur Ernährung der Weltbevölkerung bei. Wissenschaft und Medizin empfehlen Fisch als gesunde Nahrungsquelle und Fleischalternative, vor allem in den Wohlstandsregionen der Welt. Auf der anderen Seite ist die Nahrung aus dem Meer im globalen Süden schlicht eine Überlebensfrage für bitterarme Massen an Menschen.

Jüngst berichtet die FAO in ihrem jährlichen SOFIA-Bericht (= State of World Fisheries and Aquaculture) in der Ausgabe für 2024, dass die weltweite Fischproduktion seit 2022 – das sind die jüngsten Daten – erstmals mehrheitlich aus Zuchtanlagen stammt: 94,4 Millionen Tonnen Fisch aus Aquakulturen gegenüber 92,3 Millionen Tonnen Fisch aus Wildfang. Diese Zahlen inkludieren auch Krusten- und Schalentiere.

Das Meer ist in vielen Regionen hoffnungslos überfischt, die Fischbestände sind dramatisch gesunken, vor allem auch im Mittelmeer. Gegenüber vor zehn, zwanzig Jahren haben sich die Bestände halbiert oder gedrittelt. Daneben steigt die Nachfrage: Seit 1961 hat sich der weltweite Pro-Kopf-Verbrauch mehr als verdoppelt.

Schätzungen zufolge wird die Weltbevölkerung im Jahr 2050 rund 10 Milliarden Menschen erreichen. Um diese zu ernähren, muss unter anderem die Fischproduktion um mehr als 20 Prozent gesteigert werden. Ob es gefällt oder nicht: diese Zuwächse sind nur mittels Ausbau der Aquakulturen möglich, im Süß- und im Salzwasser. Aus diesem Grund treibt die FAO die Blaue Transformation voran.

Nachfrage drängt auf naturnahe Produktion

Bis vor kurzem wetterten Umweltverbände gegen Fischfarmen. In den vergangenen Jahren haben sich die Dinge verändert, zumindest in Europa, vielfach aber auch in Asien, durch den Druck der Nachfrage nach biologischen, naturnahen und nachhaltigen Produktionen; man spricht dabei von der regenerativen Aquakultur.

Die EU-Gesetzgebung gehört im Bereich Fischproduktion zu den strengsten der Welt in Bezug auf die Lebensmittelproduktion und insbesondere die Fischzucht und berührt zahlreiche Punkte des Umweltschutzes, wiewohl nach wie vor viel Luft nach oben besteht. Strenge Kontrollen, Umweltverträglichkeit, Tierwohl und höchste Qualitätsstandards müssen die Voraussetzungen sein. Antibiotika verseuchten Aquakulturen ist schon lange der Kampf angesagt und sollten diese der Vergangenheit angehören. Der Druck des Marktes reguliert die Qualität zusehends.

Aquakulturen: Riesiges Potenzial im Süß- und Salzwasser

Unter diesem Prämissen sollen bestehende oder projektierte Aquakulturen in Europa ausgebaut und umgesetzt werden. Potenzial gibt es viel, auch in Binnenländern wie Österreich, wiewohl die Produktionsmengen in Aquakulturen, die von Flüssen gespeist werden, beschränkt sind. Aber auch in Länden mit langen Küsten besteht riesiger Aufholbedarf. So gibt es in Italien nur rund 800 Aquakulturen in Süßwasser, Meer und Lagunen, lediglich 51.000 Tonnen wurden im Vorjahr produziert (ohne Schalentiere). Gezüchtet werden in Italien – wie in Österreich – hauptsächlich Forellen, das Meer ist noch wenig genutzt; von dort kommen aus italienischen Aquakulturen vor allem die „Renner“ im Fischhandel, Dorade und Wolfsbarsch.

Das Küstenland Italien kann bei den beiden genannten Seefischsorten gerade einmal 20 Prozent des Inlandsbedarfs decken. Bei über 8.000 Kilometern Küste gibt es derzeit nur 20 Offshore-Konzessionen für die Meereslandwirtschaft. Warum nicht mehr moderne Fischfarmen in Italien gebaut werden? Weil Genehmigungen dafür jahrelang in der Bürokratie hängen bleiben.

Wenig Risiko, Schaden und Abfall

Im Unterschied zu Wildfangfischen ist bei Zuchtfischen das Risiko des Befalls durch Anisakis (Fadenwürmer) null. Der Produktionsabfall bei Fisch aus Aquakulturen ist sehr gering, während bei der Seefischerei mehr als die Hälfte des Fangs (Beifang) unbrauchbar ist; große Teile des Fangs sind beschädigt oder zu klein zur Weiterverarbeitung. Die Kontrolle der Produktion von Aquakulturen ist viel einfacher als auf hoher See, wo kaum jemand kontrollieren kann, was auf den Fischfangflotten und in der Verarbeitung an Bord passiert.

Schließlich ist auch der CO2-Abdruck von Aquakulturen deutlich geringer als von kommerzieller Fischerei: pro Kilogramm Fisch aus Aquakultur werden 3,3 Kilogramm CO2 erzeugt im Vergleich etwa zu Rindfleisch, wo dieser Wert bei 40 Kilogramm liegt. Die Angaben sind dem zitierten Bericht der FAO entnommen.