Bei den kommenden Weintaufen haben sie wieder Hochsaison – und grundsätzlich hat die Frage ihre Berechtigung: Wozu braucht das Weinland Österreich Weinköniginnen und -prinzessinnen, subsummiert unter der Bezeichnung Weinhoheiten?

Okay, in der Vergangenheit – die Historie reicht bis 1955 zurück – war diese Frage oft mehr als berechtigt. Landläufig musste man dafür praktisch keine nachvollziehbaren Voraussetzungen erfüllen, außer: aus einer Winzerfamilie stammend, wobei es von Vorteil war, wenn der Papa Weinbaufunktionär gewesen ist. Dazu ein Dirndl im Schrank. Fundierte Ausbildung, Hochdeutsch oder gar Englisch waren schon fakultativ.

Bevor mich jetzt verflossene Königinnen und Prinzessinnen virtuell steinigen, kratze ich die Kurve: Ausnahmen haben immer schon die Regel bestätigt.

Heute zeichnet die Spezies der Weinhoheit ein gänzlich anderes Bild: die jungen Damen können durch die Bank auf fundierte Weinbauausbildung verweisen, vorzugsweise Abteilung Klosterneuburg oder Silberberg. Haben Marketing gemacht an einer Fachhochschule, oder gar beides. Aus einer anderen Spezies, jener der Weinbaufunktionäre, stechen sie, gestützt auf diesen Background, mitunter deutlich hervor. Charisma, Redegewandtheit und Selbstbewusstein gehören noch dazu.

Bewerben kann sich in den meisten Fällen jede Dame, die Wahlen sind meist öffentlich ausgeschrieben. Wer dann ins Hearing kommt, ist von (Weinbau)Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. In der letzten Runde der Kür geht es aber aufs Ganze: vor Jury, zweisprachig, mit Referat und Diskussion.

Den Bann gebrochen hatte Diana Müller als zuerst niederösterreichische und dann Bundesweinkönigin. Sie ist ein Prototyp der modernen Weinkönigin und hat deren Jobdescription neu geschrieben. Die aktuelle Bundesweinkönigin, gekürt am 1. September 2023, tritt selbstbewusst in Dianas Fußstapfen: Sophie Hromatka, ist ein Multitalent, gewandt, souverän, vinophil hochgebildet; sogar einen SALON Sieg hat sie als Winzerin schon eingefahren.

Dienten die Weinhoheiten früher fast ausnahmslos als weiblicher Fotoaufputz talibanähnlicher Männergesellschaften, vorzugsweise bei Weintaufen und Kellergassenfesten, üben sie heute eine tragende Funktion aus in der Vermarktung unseres Weins aus: als Referentinnen und Verkosterinnen, als Botschafterinnen und bei Masterclasses, in Medienarbeit und auf Messen. Englisch ist Pflicht, eine Sommelierausbildung fast unabdingbar.

Nicht unbeachtet darf bleiben, dass die jungen Damen ihre weinadeligen Funktionen ehrenamtlich ausüben, was ganz schön fordernd ist. Je cooler und gewiefter die Hoheiten sind, um so gefragter sind sie. Eng getaktete Eventkalender, enormer Zeitaufwand und Reisen um die halbe Welt bestimmen heute das Leben einer Weinhoheit. Dafür gebührt Sonderapplaus!