DAC-Status erhält die Thermenregion ab dem Weinjahr 2023. Vinaria hat sich im Vorfeld mit einer repräsentativen Degustation mit jenen Weißweinen befasst, die in Zukunft die qualitative Speerspitze der jüngsten Appellation bilden sollen.

Martin Niegl © www.informativ.cc

Folgerichtig standen die Rebsorten Zierfandler und Rotgipfler sowie Pinot Blanc und Chardonnay in trockener und halbtrockener Ausbauweise im Fokus der Verkostung, handelt es sich dabei doch um jene Rebsorten, die für die künftigen weißen Ortsweine und Lagenweine zugelassen sind, wobei bei Ersteren noch die Grauburgunder hinzukommen. Die Gebietsweine dürfen auch noch aus Neuburger und als Gemischter Satz gekeltert werden.

Zierfandler und Rotgipfler werden wohl für immer sentimentale Favoriten von der Südbahn bleiben, nicht zuletzt, weil sie dort ein Alleinstellungsmerkmal besitzen. Zumal der Rotgipfler nur in verschwindender Anzahl da und dort in anderen österreichischen Weinbaugefilden anzutreffen ist und der Zierfandler in reinsortiger Form sonst überhaupt nur mehr im südungarischen Pécs wächst.

Da die Thermenregion in Weiß aber nicht nur aus den bekannten Weinbauorten rund um den Anninger besteht, in denen die beiden zuvor genannten Raritäten gedeihen, war die Ergänzung durch die Burgunderfamilie zweckmäßig, die auch im Steinfeld, in Baden, Bad Vöslau und Leobersdorf sowie rund um Wiener Neustadt in gesicherter Qualität heranreift.

Eingereicht und verkostet wurden in bunter Folge Weißweine, die gemäß ihrer Kennzeichnung künftig als Gebietsweine, Ortsweine und Lagenweine firmieren werden. Speziell von der Kategorie der Ortsweine ist in qualitativer Hinsicht in Zukunft hoffentlich auch eine gewisse Breitenwirkung zu erwarten. Bei der legistischen Ausformung fällt einerseits auf, dass für die Ortsweine sehr viele Herkünfte festgelegt wurden, darunter auch solche, die eher Enklaven mit sehr geringer Rebfläche sind.

Anninger-Gemeinden sind über Schatten gesprungen

Andererseits sind jedoch die Anninger-Gemeinden sozusagen über ihren Schatten gesprungen, indem sie sich auf die altehrwürdige Appellation Gumpoldskirchen geeinigt und eine Verzettelung vermieden haben. Die zuvor genannten Spezialitäten Zierfandler und Rotgipfler werden ja als Orts- und Riedenweine fast ausschließlich unter dieser Herkunft anzutreffen sein.

Die vertretenen Jahrgänge wurden im Großen und Ganzen ihrem Ruf gerecht. So haben die eleganten und rassigen 2021er, die auch den Löwenanteil der Proben eingenommen haben, in vielen Fällen die Vorschusslorbeeren bestätigt und rebsortenübergreifend beinahe alle im Vorderfeld platzierten Weine gestellt. Ebenso ganz vorne zu finden waren einige 2019er, welche die Verkoster wieder einmal mit ihrer Fülle und Strahlkraft überzeugt haben.

Besser als erwartet reüssierten manche der mit weniger Prestige gestarteten 2020er, die den Jahrgang an der Thermenlinie offenbar besser umgesetzt haben als andere österreichische Regionen. Auch die ersten 2022er standen bereits auf dem Prüfstand und haben mitunter recht gut gefallen, was speziell für einige Rotgipfler gilt, wobei freilich zu bedenken ist, dass das Gros der Lagen- und Premiumweine noch nicht auf den Markt gekommen ist. Überhaupt ist das überraschende Fazit zu ziehen, dass die Thermenregion-Winzer ihren Gewächsen offensichtlich mehr Reifezeit einräumen, als dies früher Usus war.

Rotgipfler und Zierfandler: Aufwind an der Spitze

In toller Frühform befand sich beispielsweise der messerscharf definierte wie dicht verwobene Traiskirchner Igeln des Weingutes Stadlmann, das mit Recht als Pionier des trockenen Ausbaustils gilt. Ebenso vielversprechend ist der kraftvolle und vielschichtige Zierfandler Mandel-Höh des gleichen Hauses, der aber noch einige Reifezeit zu seiner vollständigen Entfaltung benötigt. Dieses Stadium der ersten Genussreife erreicht hat der ungemein ausgewogene und elegante 2019er Zierfandler von Johannes Gebeshuber, der aus der legendären Thallerner oder Gumpoldskirchner Ried Wiege stammt.

Mit einem sehr schönen Zierfandler aus der weniger bekannten Riede Otzler punktete hingegen der vielversprechende Newcomer Alphart am Mühlbach aus Traiskirchen. Aber auch der mächtige und opulente „vin de garde“ von der einst ebenfalls berühmten Ried Stocknarrn von Hannes Hofer und der Badener Weg des Altmeisters Othmar Biegler verkörperten gelungene und archetypische Gumpolds-Spätrote.

Als Preis-Leistungs-Hit darf die nach alter Sitte als Cuvée aus Zierfandler und Rotgipfler ausgebaute Gumpoldskirchner Tradition des Johanneshofs Reinisch gelten, die als 2022er schon jetzt für unbeschwertes Trinkvergnügen sorgt.

Die Rotgipfler haben mit dem geheimnisvoll anmutenden, komplexen wie fruchttiefen 2021er Rotgipfler von Martin Niegl aus Brunn am Gebirge für den Sensationssieger gesorgt, mit dem souveränen 2019er Rotgipfler Student von Johannes Gebeshuber, der die Rebsorte in gleichsam archetypischer Weise abgebildet hat, den dritten Platz gestellt und mit dem saftig-fruchtsüßen 2022er Goldbiegel des Perchtoldsdorfer Newcomer-Betriebes Drexler-Leeb auch den vierten Platz.

Allerdings war auch bei den Rotgipflern ein gediegenes Mittelfeld vorhanden, dem wiederum die Brunner Lagenweine von Martin Niegl und die Gewächse der bekannten Winzer Leopold Aumann, Karl Alphart, Othmar Biegler, Gustav Krug und Johann Stadlmann angehörten. Neu in dieser Phalanx ist der mutig ausgepreiste Rosenberg des Weingutes Alphart, der sich ebenso reichhaltig wie individuell in quasi burgundischer Stilistik präsentiert und zweifellos über große Reserven verfügt.

Pinot Blanc und Chardonnay: die sinnvolle Ergänzung

Als wertvolle Botschafter der Thermenregion sollten sich unter dem DAC-Signum Pinot Blanc und Chardonnay bewähren, die ja nicht nur auf den kalkreichen Rieden an den Ausläufern des Anningers prächtig gedeihen, sondern auch in den anderen Herkünften der Thermenregion. Damit könnten auch jene Mengen generiert werden, die mit den beschränkten Ressourcen von Rotgipfler & Co. nicht möglich sind.

Zudem könnten sich mit Gebiets- und Lagenweinen vielleicht auch weniger bekannte Appellationen profilieren. Schließlich wären die Erzeugnisse der Burgunder-Familie wohl auch in jenen Weinjahren hilfreich, in denen die Traubenreife für Zierfandler und Rotgipfler nicht optimal ist. Bei unserer aktuellen Degustation lieferten sich Pinot Blanc und Chardonnay ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Zuweilen wirkten die Weißburgunder etwas individueller, doch haben dies die gut bewerteten Chardonnays mit satter Fruchtfülle und viel Biss wieder wettgemacht, die im Übrigen auch einige 2022er ausgezeichnet haben.

Zu den besten Pinots zählte zweifellos die kraftvolle wie balancierte 2022er Lagenreserve der Damenriege von Pferschy-Seper, die einmal mehr ihre hohe Kompetenz für den Ausbau dieser Rebsorte unter Beweis gestellt hat. Auch der noch etwas unentwickelte Brunner Berg von Martin Niegl, der preisgünstige Premium-Weißburgunder des Leobersdorfer Betriebes Dungl und das bis dato kaum bekannte Weingut Gaitzenauer, das gleich drei sehr ansprechende, glockenklare Pinots aus weniger bekannten Rieden in Sollenau und Wiener Neustadt ins Rennen geschickt hat, werden auch anspruchsvollen Weinfreunden Freude bereiten.

Eine Klasse für sich war freilich ein altbekannter Premiumwein in Gestalt des Chardonnay Privat von Familie Alphart, der einfach nur ein bisschen Reifezeit benötigt, um die kräftigen Rösttöne und die opulente Ader perfekt einzubinden.

 

Topliste  Thermenregion Weiß

17,6 Weingut Martin Niegl 2021 RG TH
17,5 Weingut Stadlmann 2021 ZF Ried Traiskirchner Igeln TH
17,4 Weingut Johannes Gebeshuber 2019 RG Ried Student TH
17,3 Weingut Drexler-Leeb 2022 RG Ried Goldbiegel TH
17,2 Weingut Johannes Gebeshuber 2019 ZF Ried Wiege TH
17,0 Weingut Alphart 2021 CH Privat TH
16,9 Weingut Alphart 2021 RG Ried RosenberG Pfaffstätten TH
16,8 Weingut Alphart am Mühlbach 2021 ZF Ried Otzler TH
16,7 Weingut Johannes Gebeshuber 2020 ZF Ried Wiege TH
16,7 Weingut Johann Gisperg 2021 CH Ried Gestein Reserve TH
16,7 Weingut Martin Niegl 2022 CH Ried Heugasse TH
16,7 Weingut Alphart 2021 RG Ried Rodauner Top Selektion TH
16,7 Weingut Stadlmann 2021 ZF Mandel-Höh TH
16,5 Weingut Stadlmann 2020 ZF Ried Traiskirchner Igeln TH
16,5 Weingut Pferschy-Seper 2022 Weißburgunder Reserve Ried In den Haberln TH
16,5 Weingut Biegler 2022 RG Ried Brindlbach TH

Die komplette Topliste Thermenregion Weiß, die Sortenlisten und Best Buys finden Sie im separaten Beitrag.

 

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Bernhard Stadlmann © Weingut Stadlmann
Johannes Gebeshuber aus Gumpoldskirchen. © Steve Haider
Hannes und Sandra Drexler-Leeb mit Sohn Hannes jun. © Weingut Drexler-Leeb
Florian & Claudia Alphart aus Traiskirchen. © Weingut Alphart
Johann Gisperg © Weingut Johann Gisperg
Birgit Pferschy-Seper mit Tochter Anna. © Adrian Almasan | www.adrianalmasan.com
Gumpoldskichner Qualitätswinzer Othmar Biegler. © Weingut Biegler
Wilhelm Prüfert und Katharina Prüfert-Barbach aus Perchtoldsdorf. © Weinbau Barbach