Wo der Prosecco wirklich Prosecco ist. Die Trauben wachsen in der Prosecco-Weinstraße mit aufregend steilen Weinbergen. Der Conegliano Valdobbiadene Prosecco Superiore DOCG überzeugt mit Qualität. Eine Vinaria Weinreise mit den besten Adressen für Trinken, Essen und Schlafen.  

„Die Mehrzahl der Weintrinker hat noch nie echten Prosecco getrunken“, brummt Winzer Graziano Merotto aus Col San Martino, also aus dem Kernland des Prosecco. Ein breitschultriger Bär mit Riesenpranken, wortkarg und knorrig. Seit Generationen produziert seine Familie die fruchtigen Schaumweine mit Tiefgang. 

Graziano Merotto ist einer der Winzer, die ihre Weine im prestigeträchtigen DOCG-Gebiet zwischen Conegliano (im Osten) und Valdobbiadene (im Westen) nordwestlich von Treviso gewinnen. Eine hinreißend schöne Region, die 2008 den Status als UNESCO-Weltkulturerbe erhielt und als ursprüngliches Produktionsgebiet gilt. Rund 100 Millionen Flaschen werden in diesem Gebiet gefüllt. Weitere 23 Millionen kommen aus der Region Asolo, die ebenfalls DOCG-Status hat. 

Der große Rest mit rund 600 Millionen Flaschen entfällt auf Prosecco DOC, der im Veneto und Friaul-Julisch Venetien von Treviso bis Triest erzeugt wird. Mit der beachtlichen Gesamtmenge hat sich Italien damit zum größten Schaumweinproduzenten der Welt hochgearbeitet.

Eine Million Euro pro Hektar

An der Spitze der Qualitätspyramide steht der Superiore Cartizze DOCG aus einem Gebiet von nur 106 Hektar. Cartizze ist eine äußerst begehrte Lage, die nur schwer zu bekommen ist. Für einen Hektar muss man rund eine Million Euro zahlen. Wird irgendwo ein Fleckchen frei, finden sich dennoch sofort Käufer. Was Cartizze ausmacht? Viele Cartizze-Weine werden als Brut-Version gefüllt. Durch den höheren Restzucker wirken sie etwas molliger, packen aber auch Mineralität, Finesse, Erdigkeit und einen Touch Jod aus.

Die Basis des Prosecco bildet die autochthone Rebsorte Glera, mit mindestens 85 Prozent muss sie in Prosecco vertreten sein, bis zu 15 Prozent dürfen aus Komplementärsorten (Verdiso, Perera, Bianchetta, Chardonnay) bestehen. Die Glera-Traube zeichnet sich durch zarte Aromatik aus. Damit ihre frische Fruchtigkeit erhalten bleibt, wird Prosecco im Tankgärverfahren erzeugt. 

Giualiano Bortolomiol war einer der Vorreiter des Qualitäts-Prosecco. 1960 baute er den ersten Prosecco Brut aus. Damals waren Dry (17 bis 32 Gramm Restzucker) und Extra Dry (zwölf bis 17 Gramm) üblich. Heute ist das Weingut fest in Frauenhand: Die Schwestern Giuliana, Maria Elena und Elvira Bortolomiol führen das Erbe ihres Vaters weiter.  

Primo Francos erster Millesimato 

Eine Ikone des Proseccos ist auch Primo Franco. Er war einer der Ersten, die Prosecco-Weine zu Persönlichkeiten formten. Franco begann, Prosecco als Ebenbild seines Territoriums zu schaffen. Nicht die Trauben aus verschiedensten Gebieten einfach zusammengeben und pressen, sondern die besten Trauben eines einzigen Weingartens in die Flasche bringen, so lautete seine Philosophie. Mit dem Grave di Stecca schuf er so einen Lagenwein. Keine Spur also von dem billigen Massenprodukt, wie man es bei uns oft bekommt. 

1983 erzeugte Primo Franco den ersten Prosecco Millesimato, also mit Jahrgangsangabe. Seitdem werden jedes Jahr genügend Flaschen gelagert, so kann man eine Vertikale mit einer Jahrgangstiefe bis in die 1980er-Jahre verkosten. 

Großteils auf Cartizze konzentriert man sich auch bei Col Vetoraz, schließlich ist das Weingut auf dem höchsten Punkt der Weinstraße genau oberhalb der Cartizze-Lage. In den 1990er-Jahren eröffneten hier Francesco Miotto, Paolo de Bortoli und Loris Dall’Acqua das Weingut. Eine Verkostung ist ein Erlebnis, wegen der hochwertigen Weine und wegen der Aussicht hinunter auf die steilen Hügel. 

Einer der jungen Pioniere ist Pietro de Conti, hier geboren, aufgewachsen in Australien, Maschinenbauingenieur und Winzerquereinsteiger. Sein Weingut PDC hat er 2012 eröffnet, seine Weingärten finden sich ausschließlich im Cartizze-Gebiet. Wie speziell dieses Gebiet ist, bestätigen die Zahlen. „Bis zu 1.000 Stunden Handarbeit sind pro Jahr nötig, um einen Hektar zu bearbeiten. Zehnmal mehr als auf der Ebene, auf der mechanische Hilfe in Anspruch genommen wird.“ Der Aufwand lohnt sich aber, denn die Winzer wissen, dass die steilsten Hänge und die härtesten Böden die feinsten Weine – nur Spumantes – hervorbringen. Keine Spur von Mädchenbrause also. 

Den Prosecco aus den Supermärkten vergisst man in dieser kunstvoll arrangierten Menagerie aus steilen Weinbergen, romantischen Dörfern und kurvenreichen Sträßchen schnell. Hat man einmal einen Gustino B. von Ruggeri auf dem Gaumen, fühlt man sich in eine andere Liga katapultiert. So vielschichtig, so feinfruchtig ist er, so viele Aromen und Düfte als Abbild dieser paradiesischen Region perlen im Glas. 

Oder der Col del Forno Rive di Refrontolo DOCG Brut von Andreola. Trotz des dezenten Restzuckers von sieben Gramm breitet sich ein angenehm süßer, intensiver Fruchtkorb von Quitten, Akazien, Zitrone und Apfel aus, am Schluss ein bisschen Salz, feinste Perlen schmeicheln. 

Süßer Wein aus sauren Trauben

Eigentlich sind Prosecco-Trauben ziemlich sauer. Zum Essen ganz ungeeignet. Ein paar Gramm Restzucker, Hefe und die zweite Gärung im Tank hauchen ihm aber das schaurig-schöne Perlen ein, süßer Wein aus sauren Trauben also. Frizzante hat etwas weniger Druck (bis zwei Bar), Spumante eine kräftigere Mousse (meistens fünf Bar Druck). 

Die Winzer aus der Hügellandschaft sind stolz auf ihren gehaltvollen Prosecco, auf die Kollegen in der angrenzenden Ebene schauen sie buchstäblich ein bisschen herab. Früher war der Prosecco ein einfacher Bauernwein. Mit der heutigen Technik hat man aber ein Qualitätsprodukt geschaffen, eine gute Flasche von Spitzenwinzern wie Ruggeri, Col Vetoraz, Bortolin, Andreola, La Tordera, Le Bertole oder Zardetto kostet deshalb genauso viel wie Wein. Zehn bis 15 Euro, manche sogar an die 20. 

Und noch ein Tipp: Werfen Sie Ihre schmalen Sektgläser weg. Guten Prosecco serviert man in Weißweingläsern statt in den hohen schmalen, weil sich die Bläschen in den breiteren Gläsern viel besser entwickeln. 

Hinreißende Aussichten

Entlang der Strada del Prosecco, der Prosecco-Weinstraße, eröffnen sich hinreißende Aussichten auf hübsche Dörfer wie kleine Geschenke. Santo Stefano, Guia, Arfanta und Refrontolo heißen die Nester, die sich, umgeben von Weinreben, Kastanienwäldern und wilden Feigen, in den Berg krallen. 

Die Originalroute führt von Conegliano über Rua, Soligo und Col San Martino nach Valdobbiadene, ein Abstecher über die reizvolle Strecke durch Miane und Follina ist empfehlenswert. 

Das Zentrum von Conegliano ist quirlig, man findet viele Geschäfte. Wer Ruhe sucht, startet seine Prosecco-Tour nördlich in Vittorio Veneto und fährt weiter über Follina nach Valdobbiadene. So entkommt man dem Verkehrsknotenpunkt Conegliano und taucht gleich direkt in das hübsche Hügelland ein. 

 

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Klein und fein – das Weingut Tanorè in San Pietro di Barbozza. © Tanorè
Leiten das Spitzenweingut Ruggeri: Paolo und Isabella Bisol. © Ruggeri
Das Weingut Andreola in Farra di Soligo zählt zu den besten der Region. © Andreola Beigestellt
Paolo de Bortoli, Francesco Miotto und Loris Dall’Acqua vom Weingut Col Vetoraz. © Arcangelo Piai
Graziano Merotto ist einer der Pioniere des Qualitäts-Proseccos. © Graziano Merotto
Diego Tomasi, Direktor der Organisation Consorzio Tutela del Vino Conegliano Valdobbiadene Prosecco. © Consorzio Tutela del Vino Conegliano Valdobbiadene Prosecco
Essen wie bei Freunden: die Brüder Bruno, Celestino und Valentino vom Agriturismo und Weingut Riva de Milan. © Ringhofer