Nach zahlosen düsteren Meldungen den globalen Weinmarkt betreffend, lassen der „Golden Vines Report 2024“ von Liquid Icons und ein französischer Wirtschaftsprofessor einen Silberstreif am Horizont erscheinen: die Hoffnung auf ein Ende der weltweiten Weinabsatzkrise lebt.

Der französische Wirtschaftsprofessor Jean-Marie Cardebat erwartet ein Ende der Weinabsatzkrise schon im kommenden Jahr. Cardebat lehrt an der renommierten internationalen Wirtschaftsuniversität INSEEC in Paris und meinte bei einem Vortrag im Rahmen der Messe Vinitech, dass er positiv und dynamisch gestimmt sei. Cardebat vergleicht die historischen Schwankungen des Weinkonsums mit Konjunkturzyklen. Dabei kommt es für ihn zu klaren Übereinstimmungen. Die Boomjahre des Weins fielen in die Jahre während und nach wirtschaftlichen Aufschwüngen wie nach dem Zweiten Weltkrieg oder der Globalisierung der 2000er-Jahre. Einbrüche gab es laut Cardebat in den Rezessions- und Inflationsjahren der 1980er-Jahre, nach der Finanzkrise 2008 ind in Folge der Krise am chinesischen Immobilienmarkt 2017.

Wein ist seit den 1960er-Jahren kein Grundnahrungsmittel mehr, sondern ein zum Teil luxuriöses Genussprodukt, mit der üblichen Anfälligkeit für wirtschaftliche Zyklen. „Sobald Inflation und Einkommensrückgänge auftreten, konzentrieren sich die Ausgaben auf das Wesentliche wie Wohnen und Ernährung“, erklärte Jean-Marie Cardebat, für den der Tiefpunkt der aktuellen globalen Wirtschaftskrise überwunden ist: „Die Inflation wird wieder unter Kontrolle gebracht. Es gibt zwar ein nur schwaches Wirtschaftswachstum, aber auch Anzeichen für Besserung in den USA. Das US-Wachstum wird die globalen Handelsströme ankurbeln. Ein neuer Wirtschaftszyklus ist durchaus möglich, und damit dürfte es auch besser für den Weinverkauf aussehen.“

Cardebat prognostiziert für 2025 eine Stabilisierung des Weinkonsums und sieht sogar die Gefahr, dass es aufgrund der Rodungen von Rebflächen „nicht genügend Wein gibt, um eine mögliche Nachfragesteigerung zu decken“. Rodungen sind nur kurzfristig hilfreich für Winzer in Schwierigkeiten, wirtschaftlich aber riskant, weil sie Platz für die Konkurrenz schaffen können. „Wenn man 10.000 Hektar in Bordeaux rodet, werden 10.000 Hektar in Mexiko angepflanzt“, kritisiert Cardebat.

Grundsätzlich und in die Zukunft gewandt forciert Cardebat eine antizyklische Strategie, nach der schwierige Entscheidungen getroffen werden sollten, wenn es gut läuft; etwa den Umstieg von roten auf weiße Rebsorten oder die Erschließung von höheren, kühleren Weinbergslagen: „Das Geld, das jetzt für Zerstörung ausgegeben wird, könnte für eine Umstellung und Neuausrichtung verwendet werden.“ 

1.200 Branchenprofis sehen steigenden Weinabsatz

Branchenfachleute aus 100 Ländern erwarten 2025 einen steigenden Markt für Premium-Weine. Das ist das Ergebnis des „Golden Vines Report 2024“. Er gilt laut eigener Definition als „branchenführender Jahresbericht, der wichtige mikro- und makroökonomische Trends identifiziert, die den globalen Markt für Premium-Wein prägen werden“. Der Report wird von Liquid Icons erstellt, die Ergebnisse von der Wirtschaftsberatung Deloitte verifiziert.

Für den Bericht wurden 1.200 Profis aus über 100 Ländern befragt, darunter 68 Masters of Wine, 29 Master Sommeliers, 160 Advanced Sommeliers, 48 ASI-Diplom-Inhaber und 301 Personen mit WSET-Diplomen. Außerdem beteiligten sich 397 Sommeliers von gehobenen und Michelin-Sterne-Restaurants, 267 spezialisierte Händler, 121 Sammler, 91 Vertreter von Weingütern sowie 36 Fachleute von Auktionshäusern. Laut ihrer Einschätzung werde sich der globale Markt für Premium-Wein positiv oder sogar sehr positiv entwickeln, die Nachfrage nach Wein wieder steigen.

Die Fachleute orten zudem einen Trend zu autochthonen Rebsorten, sofern sie leichter, frischer, alkohol-, kalorien-, tanninärmer und eleganter als andere seien. Der Bericht prognostiziert auch eine steigende Nachfrage nach biologischen, biodynamischen, Natural- und Orange Wines. Besonders jüngere Konsumenten bevorzugten nachhaltig produzierte Weine, vor allem, wenn sie mit einer außergewöhnlichen Story vermarktet würden. 

Das Piemont wurde von 20 Prozent aller Befragten als Region mit dem größten Potenzial genannt, getrieben durch das starke Interesse an italienischen Premium-Weinen. Eine Gefahr für negative Entwicklungen sehen die Fachleute für Bordeaux (27 Prozent), Burgund, Kalifornien und Australien.

Quellen: vitisphere; wein.plus.de; harpers.co.uk