Genuss mit Verantwortung statt Pauschalverurteilung von Weinkonsum! Das fordert nicht nur Österreichs Weinbau-Präsident Johannes Schmuckenschlager, sondern auch immer mehr Branchenvertreter in den EU-Staaten und namhafte Wissenschaftler, etwa Sir David Spiegelhalter von der Universität Cambridge.

Aktuelle Berichterstattungen vermitteln oft das Bild, dass jeglicher Alkoholkonsum gefährlich sei und grundsätzlich abzulehnen ist. Diese pauschale Sichtweise verkennt jedoch, dass nicht alle alkoholischen Getränke gleich sind und nicht jeder Konsum missbräuchlich ist. Wichtig ist ein verantwortungsvoller Umgang mit Alkohol. Österreichs Weinbaupräsident Johannes Schmuckenschlager betont: „Als Branche setzen wir uns entschieden gegen Missbrauch ein, lehnen jedoch pauschale Verurteilungen ab. Ein moderater und verantwortungsbewusster Konsum ist wichtig.“

Gerade das Naturprodukt Wein hebt sich von anderen alkoholischen Getränken ab. Zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen, dass moderater Weinkonsum gesundheitliche Vorteile bieten kann, wie etwa die Förderung der Herz-Kreislauf-Funktionen und den Schutz vor freien Radikalen durch Weinphenole. Der Begriff „French Paradox“, also dass es im Genussland Frankreich im Vergleich zu anderen Ländern weniger gravierende kardiovaskuläre Erkrankungen gibt, fasst diese positiven Erkenntnisse zusammen. „Wir sind gegen das derzeitige Alkohol-Bashing, betonen aber die Bedeutung eines maßvollen Konsums. Ein Beispiel dafür ist die europäische Plattform www.wineinmoderation.eu“, so Schmuckenschlager.

Cambrigde-Professor mit scharfer Kritik an „Besessenheit“

Der britische Statistiker Sir David Spiegelhalter von der Universität Cambridge stößt ebenfalls in diese Kerbe und verwehrt sich gegen Wein-Bashing. Im BBC-World-Programm „The Food Chain“ meinte Spiegelhalter, dass der Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und früher Sterblichkeit übertrieben sei. Spiegelhalter erlangte vor einigen Jahren während der Pandemie durch seine Analysen von Covid-Daten große Bekanntheit. Das berichtet die Plattform The Drinks Business.

Nach seiner Ansicht hätten die Forschungen klar bewiesen, dass der Konsum von Alkohol in kleinen Mengen gesundheitliche Vorteile habe. „Es ärgert mich, wenn die Schäden durch geringe Mengen übertrieben werden, insbesondere mit Aussagen wie ‚kein Alkohollevel ist sicher‘“, betont der Universitätsprofessor, der in der BBC-Sendung eindringliche und vernichtende Kritik an der ständigen Verknüpfung von Alkoholkonsum und frühem Tod übte. Dafür gebe es keine wissenschaftlich stichhaltigen Beweise.

„Gesundheitliches Risiko wie bei einem Stück Speck“

Statistisch gesehen ist das Gesamtrisiko von einem Glas Wein pro Tag für die Lebenserwartung nicht höher als das Risiko bei Autofahrten oder dem Verzehren von Speck. Empfehlungen von maximal zwei alkoholischen Getränken pro Woche oder gar den Verzicht auf Alkohol bezeichnet David Spiegelhalter als völlig unnötig: „Das ist irgendwie die Bewältigung eines Nicht-Problems: Es gibt auch kein sicheres Niveau für Autofahren, kein sicheres Niveau für das normale Leben, aber niemand empfiehlt hier Enthaltsamkeit“. Spiegelhalter bezog sich dabei konkret auf die neuen, besonders restriktiven Vorschriften zum Alkoholkonsum in Kanada.

Spiegelhalter kritisierte die „sinnlose Besessenheit einiger Gesundheitsexperten und vor allem der Weltgesundheitsorganisation WHO für niedrigen Alkoholkonsum oder den völligen Verzicht darauf. Er wies auf die soziale Dimension und die psychische Komponente im Zusammenhang mit Alkoholgenuss hin. Die positiven Auswirkungen auf diese Komponenten würden in den Diskussionen nie erwähnt, stattdessen werde unnötige Panikmache verbreitet. „Ich denke, wir sollten einfach akzeptieren, dass Menschen aus einem Grund trinken – weil sie es einfach genießen und Freude daran haben“, resümierte der Forscher. Außerdem sei Alkohol auch wegen seines guten Geschmacks großartig und spiele beim Essen eine entscheidende Rolle.

Gerade die WHO steht zunehmend im Kreuzfeuer der Kritik, weil die Organisation offenbar von zweifelhaften und notorischen Abstinenzlern übermäßig beeinflusst ist oder sich beeinflussen lässt. Dabei werden von den Akteuren und Lobbyisten selbst verfasste Studien als wissenschaftlich über jeden Zweifel erhabene Arbeiten dargestellt, was in keinster Weise den Tatsachen entspricht.

Umstrittene Wissenschaftler sind bestens vernetzt

Zwei der Protagonisten, die jede Form und Menge von Alkohol als schädlich ansehen und diese Ansicht in renommierten Fachpublikationen veröffentlichen, sind die kanadischen Wissenschaftler Dr. Tim Stockwell und Dr. Tim Naimi. Beide leiten Expertengremien, die auch die kanadische, die US-amerikanische Regierung und die WHO beraten. Vor kurzem veröffentlichte Stockwell eine oft zitierte Studie, nach der es „kein sicheres Maß an Alkoholkonsum“ gebe. Auf diese Veröffentlichung stützen sich auch die WHO und die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), die in einem Positionspapier ausdrücklich empfohlen hat: „Am besten null Alkohol.“

Naimis und Stockwells Arbeiten und ihre Empfehlungen werden inzwischen von vielen Wissenschaftlern stark in Zweifel gezogen. Gesundheitsbehörden in den USA und Kanada lehnten Naimis Empfehlungen zum Alkoholkonsum für Erwachsene ab.

Rosinenpicken, um die Wahrheit zu verdrehen

Stockwells Forschungskompetenz ist im Wesentlichen die Epidemiologie, also die Untersuchung von Bevölkerungen. Man zeichnet den Lebensstil der Menschen auf, sieht, welche Krankheiten sie bekommen und versucht, die Krankheit mit Aspekten ihres Lebensstils zu korrelieren. Aber das ist nur eine Korrelation, eine Assoziation. Epidemiologie allein kann niemals Kausalität feststellen. Und in diesem speziellen Fall hat Stockwell sechs aus 107 Studien herausgepickt.

Diesem Vorwurf muss sich auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung auseinandersetzen: So entgegnet ihrer Empfehlung die Deutsche Weinakademie, die zum "Wine in Moderation"-Netzwerk gehört: "Die Empfehlungen sind aus reinen Beobachtungsstudien abgeleitet, die prinzipiell keine kausalen Zusammenhänge belegen können.“

Sektiererische Fanatiker, fragwürdige Geldquellen

Stockwell und Naimi spielen ihr eigenes Spiel, verfolgen ihre eigene Agenda. Beide haben nachgewiesene Verbindungen zu Movendi International. 1851 in den USA als „International Order of Good Templars“ („Guttempler”) gegründet, war das ursprünglich eine Abstinenz- und Temperenz-Organisation, die sich gegen Alkoholkonsum und für die Förderung eines alkoholfreien Lebensstils einsetzte. Im Jahr 2012 wurde der Name in “Movendi International” geändert.

Diese Nicht-Regierungssorganisation (NGO) ist offizieller Partner der WHO und des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP). Movendis Ziel ist es, „Einfluss auf die Politik nehmen zu können (...), um sie für die vielfältigen Wechselwirkungen von geschlechtsspezifischer Gewalt, schädlichem Alkoholkonsum sowie HIV und Tuberkulose zu sensibilisieren und (...) die Gesundheitspolitik zu stärken.“

Tim Stockwell hat auch sehr enge Verbindungen zu Organisationen wie Eurocare, deren Ziel die „Verhinderung und Verringerung alkoholbedingter Schäden im Rahmen europäischer politischer Entscheidungen über Alkohol“ ist. Eurocare leitete mehrere von der EU finanzierte Projekte – und erhält Geld von den Guttemplern. Viele Wissenschaftler lehnen zudem Stockwells und Naimis Motive und Ansätze ab. Einer der Kernvorwürfe: Stockwell hat niemals eigene Primärforschung durchgeführt. Er erarbeitet systematische Übersichten mit dem Ziel, die Vorteile mäßigen Trinkens zu verschleiern.

Quellen: Redaktion; The Drinks Business; BBC; wein.plus.de