Einige Jahre sah es so aus, als würde der Drehverschluss den Kork endgültig verdrängen, in unseren Breiten auch bei hochpreisigen Weinen. Jetzt tendiert das Pendel in die andere Richtung, nicht zuletzt dank neuer Entwicklungen.

Seit mehr als 100 Jahren weiß die Weinwelt, dass der Naturkork ein Flaschenverschluss mit vielen guten Eigenschaften ist, aber halt nicht perfekt. Einer seiner größten Nachteile, der Korkfehler, lässt sich durch technische Verschlüsse vermeiden. Wein müsse atmen, sagt man, deshalb brauche es den Korkverschluss.

Kork: Ein Sorgenkind seit 100 Jahren

Sauerstoff ist der Motor der Alterung von Wein, zu viel davon sein Tod. Man ist ziemlich einhellig der Ansicht, dass die im Flaschenhals vorhandene und die im Wein gelöste Luft ausreichen. Die „Atmung“ des Weins über den Verschluss ist nicht notwendig, sie kann vielmehr kontraproduktiv sein und den Flascheninhalt durch frühzeitige Oxidation schädigen.

Der typische Korkfehler äußert sich durch einen muffigen, an Schimmel und altes Leder erinnernden Beigeschmack. Am bedeutendsten ist der klassische Korkfehler, ausgelöst durch chlorhaltige organische Verbindungen. Dazu gehören einige Derivate des Trichloranisols (TCA), wobei 2,4,6-TCA das wichtigste darstellt.

Unglücklicherweise fallen diese Substanzen bereits in kleinsten Konzentrationen auf. Bei kräftigen Rotweinen liegt der sensorische Schwellenwert bei etwa 30 Nanogramm pro Liter, bei Weißwein hingegen reagieren Kenner schon bei 3 Nanogramm; bei ganz leichten Weißen genügt ein Nanogramm pro Liter (ein Milliardstel Gramm pro Liter!).

Superkritisch zu neuen Produkten

Der französische Hersteller DIAM nahm sich des TCA-Problems an. In einem patentierten Verfahren wird Korkrinde superkritischem CO2 ausgesetzt. Bei einem Druck von knapp 74 Bar und 31 Grad Celsius ist dieses ungiftige Gas so dicht wie eine Flüssigkeit, hat aber dieselbe Viskosität wie ein Gas. Man nennt diesen Aggregatszustand superkritisch. Unerwünschte Bestandteile wie die für den Korkgeschmack verantwortlichen Trichloranisole werden aus dem gemahlenen Korkmaterial extrahiert. Dann werden rund 25 Prozent sogenannter Mikrosphären beigemischt, kleine, kugelförmige Kunststoffpartikel, die sich unter Wärmeeinfluss stark ausdehnen. In einer Art Backofen quellen sie auf und lagern sich zwischen den Korkpartikeln ein. Sonstige Bindemittel werden nicht benötigt. Korkfehler sind selten.

Amorim, der größte Hersteller von Korkverschlüssen weltweit, setzt bei seinem „Neutrocork XPür“ ebenfalls superkritisches CO2 ein. Es gibt solche Verschlüsse auch mit Bindemitteln auf pflanzlicher Basis. Der TCA-Gehalt soll auf 0,3 Nanogramm je Liter Wein gedrückt werden, also unterhalb der sensorischen Wahrnehmungsgrenze liegen.

Die Thermische Desorption

Auf das Verfahren der thermischen Desorption setzt Amorim bei seiner Naturkorklinie „Naturity“. Im Unterschied zum patentierten XPür-Verfahren wird der Kork nicht granuliert, sondern das ganze Rindenstück von TCA und anderen flüchtigen Verunreinigungen befreit. Laut Hersteller ermöglichen 99 Prozent der Naturity-Korken einen Wert von weniger als 0,5 Nanogramm pro Liter im Wein. Das Herstellungsverfahren ist mittlerweile patentiert.

Grundsätzlich versteht man unter Desorption einen Vorgang, bei dem Moleküle oder Atome die Oberfläche eines Festkörpers verlassen. Es gibt mehrere Möglichkeiten, das zu bewerkstelligen, mittels Temperatur, Druck oder Ultraschall. Freiwillig lösen sich die unerwünschten Verbindungen jedenfalls nicht vom Trägermaterial.

Verschlüsse aus Zuckerrohr

Im Kommen sind zudem „Korken“ auf Zuckerrohrbasis. Nomacorc, Hersteller alternativer Verschlüsse, hat mit seiner Green Line einen technischen Korken auf Basis von Polymeren aus Zuckerrohr entwickelt. Als große Vorteile werden ein kontrollierter und reproduzierbarer Sauerstoffeintrag, ein geringer CO2-Fußabdruck, wenig Umweltbelastung, völlige Rezyklierbarkeit und natürlich null TCA genannt. Die Green-Line-Verschlüsse sehen Naturkorken zum Verwechseln ähnlich. Und es macht „Plopp“ beim Öffnen.

Korkfehler werden weniger

Österreich lag eine Zeit lang ganz vorne bei Schraubverschlüssen. Mittlerweile ist der Kork, nicht zuletzt auf Druck der Konsumenten, wieder im Vormarsch. Produkte, die den TCA-Eintrag in den Wein auf ein sensorisch nicht mehr feststellbares Maß reduzieren, helfen dabei. Vinaria Verkostungsstatistiken zeigen, dass der Prozentsatz der Korkfehler tatsächlich abgenommen hat. Das mag auch damit zu tun haben, dass Korkqualitäten, aus denen man besser Sandalen gefertigt hätte, kaum mehr dazu verwendet werden, Weinflaschen zu verschließen.

 

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Korkherstellung beim weltgrößten Produzenten: Amorim © Amorim
Korkherstellung manuell © Amorim
Übeltäter Nr. 1 ist das Trichloranisol 2,4,6 TCA