Im Vinaria Interview über seinen Siegerwein und „das Sinnbild Carnuntums“, Biologie im Weinbau und sein Bauchgefühl.

Vinaria: Ihr Rubin Carnuntum ist regelmäßig eine Bank in der Kategorie „Klassik“. Wo kommen die Trauben für diese Lagencuvée her, wie wird sie zusammengestellt?

Philipp Grassl: Wie immer aus dem Mittelbau zwischen Dorflagen und Ersten Lagen, sprich: ein wenig höher, dadurch hat sie schon etwas Schottereinfluss, und natürlich aus älteren Reben auf dem Haidacker oder Schüttenberg, aber auch die jüngeren Gärten aus den wärmeren Höfleiner Lagen auf dem Hohen Weg, Bärnreiser oder Aubühl. Wir setzen bewusst auf eine breite Streuung, um so den Anforderung unseres wertigsten Gebietsweines zu genügen – quasi das Sinnbild Carnuntums.

Vinaria: Welche Bedeutung hat der Rubin Carnuntum in Ihrem Betrieb?

Philipp Grassl: Er ist der Imagewein unseres Hauses für die Region Carnuntum. Wenn auch schon seit 30 Jahren auf dem Markt, hat er sich zum Klassiker entwickelt und wurde in den vergangenen fünf Jahren bei uns nochmals ein wenig zeitgemäßer interpretiert, sprich: mehr Frucht, mehr Frische bei gleichzeitig steigender Komplexität und Trinkvergnügen. Nach unserem klassischen Zweigelt mengenmäßig der zweitwichtigste Wein, 30% gehen mittlerweile in den Export.

Vinaria: Wiewar das Jahr 2020 in Carnuntum, besonders für Zweigelt?

Philipp Grassl: 2020 war wie eine Rollercoaster-Fahrt. Warmer Winter, dann der kälteste Tag des Jahres am Gründonnerstag, minus 7° Grad haben einige Augen geschädigt, dadurch sehr zaghafter Austrieb, staubtrocken bis Ende Mai, dann die Sintflut im Juni, wunderschöner Sommer bei trotzdem guter Niederschlagsverteilung. Septembersommer bis zum 25., dann wieder die Sintflut – wir haben alle Rubin-Carnuntum-Trauben und Ersten Lagen vor dem 26. September in bestem Zustand ernten können, alles danach war durch den Regen doch ein wenig schwammig.

Vinaria: Wie stehen Sie im Basis- und mittleren Rotwein-Segment zum Einsatz von Holz?

Philipp Grassl: Früher galt: je mehr Holz, desto besserer Wein – das ist heute natürlich überholt. Wir verwenden die gebrauchten Fässer der Lagen- und Reserve-Weine (Barriques, Tonneaus bis zu 700 Liter). Wir setzen auf sanften Einsatz, dazu eine gute Mikrooxidation und folglich bessere Fruchtentwicklung. Holz also unbedingt, aber nur als Reife- und nicht als Aromatisierungsmedium – ich denk, dass grad die Klassiker von der Frucht leben!

Vinaria: Nach einer Mehrzahl von heißen, trockenen Jahren gab es mit 2020 und 2021 wieder kühlere und feuchtere Jahre. Wie geht man mit diesen Extremen um?

Philipp Grassl: Die Amplituden der Klima-Ausschläge werden immer stärker, darum haben wir uns 2015 den biologischen Methoden zugewandt – alles über der Erde können wir klimatisch nicht mehr beeinflussen, deswegen müssen die Hausaufgaben unter der Erde, im Boden also, bestens gemacht werden: Keine Herbizide, Begrünungs-Management, Kompostwirtschaft. Außerdem wird durch die Wuchsreduktion im biologischen Weinbau die Erntemenge gesenkt, werden die Trauben lockerer und dickschaliger – die beste Art, sich gegen Botrytis zu wehren. Pflanzenschutz muss perfekt ablaufen, sonst hängt dir der Fehler das ganze Jahr nach. Dabei geht es auch sehr viel über Bauchgefühl, wenn die Basics stimmen.