Vor der Mechanisierung der Landwirtschaft gab es in Österreich allerlei Weinbräuche. Manche von ihnen muten aus heutiger Sicht durchaus kurios an.

Die Neuanlage eines Weingartens hat die Inhaber von Weinbaubetrieben immer schon mit besonderer Freude erfüllt. Vor der Mechanisierung der Landwirtschaft, die in Österreich um die Mitte des vorigen Jahrhunderts mit der weitflächigen Einführung von Traktoren auf dem Höhepunkt angelangt war, waren allerdings mühevolle Arbeiten zu verrichten, bevor die jungen Reben ins Erdreich gesetzt werden konnten.

Nicht selten musste in aufwendiger Handarbeit erst einmal der alte Weingarten gerodet werden, ehe eine neue Rebanlage an seine Stelle trat. Mit einem sogenannten Stockreißer respektive Stockheber, an dessen unterem Ende sich eine gezähnte Greifzange befand, wurde jeder einzelne Weinstock aus dem Erdreich herausbefördert. Der Einsatz dieses hebelartigen Geräts brachte die Arbeiter ordentlich ins Schwitzen.

Sodann kamen Spaten, Grabgabel und Weingartenkrampen zum Einsatz, mit denen die in Aussicht genommene Fläche 50 bis 60 Zentimeter tief umgegraben wurde. Auch diese Arbeit verlangte den Beteiligten einiges an Muskelschmalz ab. Was heute mit einem einzigen Traktor in verhältnismäßig kurzer Zeit erledigt wird, erforderte einstmals nicht wenige Arbeitskräfte, und punkto Arbeitstempo tickten die Uhren noch wesentlich langsamer, als das heute der Fall ist. Das Steckenschlagen für die damals vielfach noch als Stockkultur angelegten Weingärten und das zum Schluss durchgeführte Rebensetzen waren im Vergleich zu den vorangegangenen Arbeitsschritten weniger anstrengend.

Der abschließende Arbeitsschritt des eigentlichen (mit dem Setzholz vorgenommenen) Auspflanzens wurde sodann recht feierlich begangen. Bis zum Ersten Weltkrieg wurden oft zwei Weingärten zugleich ausgesetzt. Man nahm dafür so viele Arbeiter auf, dass die Arbeit bis zur Mittagszeit abgeschlossen werden konnte. Freilich begann die Arbeit damals bereits in aller Frühe.

An diesem Tag waren Weinbauern traditionell außerordentlich freigiebig. Schon das – freilich direkt im Weingarten eingenommene – Gabelfrühstück war ausgiebig. Es gab nicht bloß den üblichen Dienstbotenwein – den sogenannten Haustrunk, der mittels Wasseraufgusses auf die bereits ausgepressten Trester hergestellt wurde und oft essigstichig war. Am Tag der Neuauspflanzung wurde anstelle dieses ansonsten üblichen Substituts immer echter Wein kredenzt.

Ein alter Hauer aus Pfaffstätten namens Konrad erläutert den Sinn dieser ungewöhnlichen Freigiebigkeit: „Ja, die Reben müssen eingsoffen und eingfressen werden, dass sie guat wachsen und vül tragen!“ In dem ebenfalls in der Südbahnregion befindlichen Ort Schönau an der Triesting herrschte die Meinung, dass man beim Rebensetzen die jungen Reben mit Weindunst anhauchen müsse, damit sie hernach reichlich Trauben tragen. Um dieser Vorgabe gerecht zu werden, waren die Arbeiter gefordert, während des Auspflanzens eine ordentliche Quantität zu konsumieren.

Laut einem Rebschulbesitzer aus dem mittelburgenländischen Weinort Neckenmarkt gibt es dort noch heute die scherzhafte Redensart, dass man „pro ausgesetzter Pflanze einen G’spritzten trinken muss, weil die Reben ansonsten nicht wachsen“. Freilich sei das eine krasse Übertreibung, aber etliche G’spritzte würden beim Auspflanzen der Reben schon getrunken.

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Johann Werfring: Weinbräuche in Österreich. edition lex liszt 12, reichlich illustriert. © Johann Werfring