Die sintflutartigen Regenfälle der vergangenen Tage haben viele Winzer ebenso am falschen Fuß erwischt wie die katastrophalen Überschwemmungen die betroffenen Regionen. Die Weinlese wurde gestoppt, ins große Bangen und Zittern mischt sich Hoffnung. Ein Vinaria Rundruf zur Lage der Weinnation.

Wie berichtet, hat die Weinlese in den österreichischen Weinbaugebieten im Schnitt drei Wochen früher als üblich eingesetzt. Entsprechend fortgeschritten war die Lese in den meisten Regionen. Der heiße, trockene Sommer sorgte für hochkonzentrierte Trauben, oft lockerbeerig. Dieser Umstand erwies sich in den vergangenen Tagen als Segen, da prasselten oft mehrere hundert Liter Regen pro Quadratmeter binnen dreier Tage auf die Reben nieder. In der Wachau rutschten zahlreiche Trockensteinmauern ab.

Böden, Stöcke und Beeren waren aber ziemlich ausgetrocknet, konnten daher Wasser gut aufnehmen und absorbieren. Es kam bis Montag (16. September) zu keinen nennenswerten Schäden an den Trauben. Einiges dazu beigetragen hatte auch der starke Wind, der gerade die lockerbeerigen Trauben gut durchlüftete. Die große Angst steht nun bevor, wenn das Wetter absehbar ab Mitte der Woche wieder besser werden wird. Dann geht es um jeden Tag, um rasch zu lesen, was noch draußen ist, bevor die Feuchtigkeit gepaart mit höheren Temperaturen die Fäulnisgefahr wie ein Turbo in die Höhe fährt.

Vinaria hat sich bei Winzern in einzelnen Weinbaugebieten umgehört. Alle Infos sind Stand von Montag, 16. September 2024.

Anton Bodenstein, Weingut Prager (Wachau): „Wir haben mit der Lese noch nicht mal angefangen. Sorge machen mir die aufgeweichten Böden und Terrassen, die wir derzeit nicht befahren können. Das viele Wasser konnte den Trauben kaum etwas anhaben, zumal es ja kühl und windig war. Anders steht es um die Trockensteinmauern, da sind leider schon etliche runter gegangen, auch Hänge sind abgerutscht. Diese Gefahr wird noch dramatisch steigen, selbst wenn der Regen aufhört. Das kann bei der Lese lebensgefährlich sein und wird in der Wachau ein ganz großes Gefahrenpotenzial. Unsere Traktorfahrer sind da echt gefordert, es wird auch sehr viel Lesegut aus den Hängen getragen werden müssen. Ich schätze, dass wir am Wochenende ein bis zwei Zuckergrade verloren haben, daher rate ich generell von einer Notlese am Mittwoch ab! Die Rebstöcke sind ja im Schockzustand: zuerst Hitzestress, dann das viele Wasser; wir hatten in Weißenkirchen 235 Liter am Quadratmeter, das sind zwei volle Badewannen! Nun ist Fön angesagt, wir brauchen aber eher niedrige Temperaturen und Wind, sonst explodiert die Fäulnisgefahr, dazu Wespen, Essigfliege und alles, was man nicht haben möchte zur Lese. Da wäre dann die Gefahr extrem, dass wir die sehr guten Qualitäten wieder verlieren und am Ende wie im Jahrgang 2014 dastehen.“

Heinz Frischengruber, Domäne Wachau: „Eine sehr herausfordernde Situation mit offenen Auswirkungen. Wir hatten vor der Sintflut erst mit der Lese begonnen, haben gut 80 Prozent draußen und hoffen, dass die ganze Wachau – nicht nur die Winzer – Mitte der Woche wieder aufsperren kann. Ab Mittwoch heißt es für unsere 300 Winzerfamilien dann: Vollgas bei der Lese! Wenn ich mir ein Wetter wünschen darf, ist es trocken, windig und kalt. Leider sind schon viele Trockensteinmauern zusammengebrochen. Die Trauben sehen gut aus und haben mit dem Regen kein Problem.“

Martin Nigl, Senftenberg (Kremstal): „Einige Steinmauern hat der Regen runter geholt, insgesamt sind wir aber mit einem blauen Auge davon gekommen. Die Qualität und Reife des Traubematerials ist nach wie vor sehr gut, ich erwarte Topqualitäten, aber wenig Menge.“

Petra Unger, Furth-Palt (Kremstal): „Das viele Wasser ist gut abgelaufen oder wurde vom Boden aufgenommen. Wir haben etwa die Hälfte gelesen, aber noch alle Reserven draußen, auch alle Rieslingtrauben und die Roten. Die kleinbeerigen Trauben haben durch den Wind die Feuchtigkeit gut absorbiert. Eine große Gefahr sehe ich in den kommenden Tagen, wenn es wieder wärmer wird. Dann droht das Aufplatzen der Beeren und Fäulnis.“

Birgit Eichinger, Straß (Kamptal): „Mir ist ganz mulmig, wenn ich gerade zum Fenster raus schaue und die Black Hawk Hubschrauber des Bundesheeres im Dauereinsatz sehe. In Hadersdorf ist der Damm gebrochen…. In den Weingärten sieht es aber nach wie vor gut aus. Wir haben 40 Prozent gelesen und möchten unbedingt am Mittwoch wieder starten, müssen auch weiter entblättern, damit der Wind durchlüften kann und keine Fäulnis aufkommt. In den Weingärten steht kein Wasser und unsere Toplagen, etwa der Heiligenstein, sind sehr wasserdurchlässig. Die Trauben waren hochkonzentriert, hatten sehr hohe Grade; denen hat es sogar gut getan, etwas Wasser aufzunehmen.“

Johannes Haimerl, Gobelsburg (Kamptal): „Wir stehen kurz vor Ende der Lese und waren vor dem vielen Regen echt euphorisch. Die enormen Niederschläge im Kamptal machen die Weinberge derzeit unbefahrbar, der Sturm hat uns viele Rebzeilen umgedrückt und schief gestellt. Die Traubenqualität ist noch sehr gut, aber sie ziehen sich allmählich Wasser rein und die Gradationen sinken. Wir setzen auf gutes Wetter im Verlauf der Woche, damit es zu keiner Fäulnis kommt.“

Hans Setzer, Hohenwarth (Weinviertel): „Das Weinviertel war vor dem Schlechtwetter sehr weit mit der Lese, etwa zur Hälfte fertig; wir selbst sicher zu 75 Prozent. Die Trauben sind nach wie vor unglaublich gesund, die Zuckergrade enorm. Der Regen konnte da nicht schaden, wir haben auch keine Botrytis. Ich denke, durch den heißen Sommer sind die Beerenschalen dicker und widerstandsfähiger. Die ausgetrockneten Böden haben den vielen Regen gut drainagiert. Der Wind hat uns aber die Reihen teilweise schief gestellt, wegen des weichen Bodens und des Gewichts der Trauben am Stock.“

Gerhard Markowitsch, Göttlesbrunn (Carnuntum): „Wir hatten zwar viel Regen, blieben aber vom Hochwasser verschont. Wir sind zu drei Viertel mit der Lese fertig. Es ist auch ein Glück, dass es zum Regen kalt und windig wurde, die Trauben sind nach wie vor sehr gesund. Der Jahrgang bei uns wird super, aber eine der kleinsten Ernten, die wir jemals hatten.“

Erwin Sabathi, Leutschach (Südsteiermark): „Wir sind ganz entspannt und hudeln nicht, werden noch bis 22. September lesen und fangen erst mit dem Sauvignon Blanc an. Die großen Regenmengen – bei uns weit über 100 Liter – hat der Boden förmlich gebraucht, unser Pössnitzbach führte nicht einmal Hochwasser. An den wunderbaren Zuckergraden hat der Regen nichts geändert, die Trauben haben sich auch nicht angesaugt. Es wird tolle Qualität in die Keller kommen, leider geringe Menge, kleiner als im Katastrophenjahr 2016; wegen Frost, später Blüte, Verrieselung und dem heiß-trockenen Sommer.“

Kurt Feiler, Rust (Leithaberg): „Wir haben den Blaufränkischen noch komplett draußen, haben jetzt mitten in der Lese Zwangspause. Für die Reben ist es nicht dramatisch, weil es kühl und windig ist. Wir starten sofort, wenn der Regen aufhört. Ich hoffe auf Wärme, weil ich noch etwas Botrytis gut gebrauchen kann.“

Gerhard Lobner, Weingüter Mayer am Pfarrplatz & Rotes Haus (Wien): „In Wien war vor den Unwettern schon die Hälfte gelesen. Weiter geht’s hoffentlich am Donnerstag, dann aber zügig. Auf unserer Paradelage Nussberg hatten wir 200 Liter Niederschlag, die Hänge haben das aber gut weggesteckt, das sind alles natürlich drainagierte Böden. Wenn es nicht zu warm wird und die Beeren aufplatzen, werden wir auch kein Problem mit der Fäulnis haben. Das viele Wasser konnte den Trauben nichts anhaben; schon im August beim Hagelunwetter hat das Wasser mehr genützt als der Hagel schaden konnte.“