Einer der ganz Großen der österreichischen und europäischen Gastronomie, Bilderbuch-Unternehmer und Wein-Missionar feierte am 24. April 2021 still und fast heimlich seinen 80. Geburtstag: „Steirereck“- und „Wirtshaus Pogusch“-Gründer Heinz Reitbauer.

Heinz und Margarethe Reitbauer © Steirereck

„Der Heinz“, wie ihn Freunde nennen, ist Wirt und Landwirt mit jeder Faser seines Körpers und jeder Zelle seines Kopfes. Heinz Reitbauer ist ein Visionär, ein Macher, ein Genießer, ein Gründer, ein Paradewirt und ein Landwirt – das ist ihm wichtig! – mit Leib und Seele, mit Herz und Hirn.

Kaum jemand anderer hat in Österreich und in Mitteleuropa den Gedanken der Gastfreundschaft und die Rolle des Gastgebers so gelebt und perfektioniert wie Heinz Reitbauer, immer mit seiner Frau Margarethe an der Seite. Der Steirerbua, der auszog, um zuerst den Wienern und dann ganz Österreich die feine Küche, aber die wirklich feine, zu zeigen, hat eine beispiellose Karriere hingelegt.

1970 gründeten die beiden Reitbauers – aufgrund seines gleichnamigen Sohnes, des Küchenchefs im Steirereck, muss es korrekterweise Heinz Reitbauer Senior heißen – das Steirereck in Wien, in der Rasumovskygasse im 3. Bezirk, nahe dem Donaukanal. Damals war das Steirereck eine bald weithin beliebte „Backhendlstation“, ein gutbürgerliches Wirtshaus eben im gastronomischen Niemandsland des östlichen Wien.

Erst eine Reise nach Frankreich brachte Heinz und Margarethe Reitbauer ein paar Jahre später in Kontakt mit der Haute Cuisine. Der Rest ist Gourmet-Geschichte. Nach dem Umzug von der Rasumovskygasse ins Herz des Wiener Stadtparks, in das nagelneue, durchgestylte, mit viel Glas ausgestattete neue Steirereck übernahmen bald Heinz Reitbauer Junior und seine Frau Birgit das operative Geschäft. Und halten seither das Restaurant an der Spitze der österreichischen und internationalen Charts.

Das Steirereck gilt mit fünf Hauben und zwei Sternen als bestes Restaurant Österreichs (auch wenn Juan Amador in Wien drei Sterne hält), ist aktuell auf Rang 18 der World’s Best Restaurants, also der allerbesten Restaurants der Welt, und führt zahllose weitere Auszeichnungen. Nimmt sich der Guide Michelin selbst ernst, muss das Steirereck in absehbarer Zeit in den Olymp der drei Sterne aufsteigen. Für viele Stammgäste ist es das längst.

Zurück aufs Land zog es Heinz sen. und Margarethe Reitbauer 1996, zurück zu ihren Wurzeln in die Hochsteiermark, auf den in 1000 Meter Seehöhe gelegenen Pogusch (Gemeinde Turnau), unweit der S6-Ausfahrt Kindberg. Das Steirereck-Wirtshaus am Pogusch war geboren. Mit angehängter Landwirtschaft, eigener Schafzucht und Fleischzerlegebetrieb hatte das Wirtshaus mit dem signifikanten „Griaß di“ überm Portal bald Kultstatus erreicht. Das Pogusch-Lamm etwa avancierte zur Trademark auch auf der Wiener Steirereck-Karte, ebenso diverse Kräuterzubereitungen und superfeine Wildfangfische aus der Region.

Der „Almchampagner“, sein eigenes Quellwasser, wurde ebenso zum Markenzeichen wie die dreieinhalbstündige Wanderung am „Bründlweg“, wo man auch an der Quelle vorbei kommt. Die Wirtsleute haben die ganze Region wachgeküsst. Heute leben Legionen von Landwirten, Produzenten, Buschenschanken, Jausenstationen, Fischern, Jägern, Gewerbetreibenden und Zimmervermietern von den Impusen, die vom Wirtshaus am Pogusch ausgehen.

Reitbauers Interpretation der Weinkarte war und ist am Pogisch radikal. Diese ist nämlich begehbar. Die Weinflaschen liegen, liebevoll drapiert, in einem Nebenraum des Wirtshauses, begehbar die die Gäste, die sich ihre Flasche(n) aussuchen. Die Preise stehen in weißer Schrift auf den Gebinden, oft mit Bewertungen und durchaus emotionalem Stichwort dazu. Einfach, genial, unerreicht.

Die Regionalität und ihre Zutaten haben die Reitbauers schon zu einer Zeit gelebt, da mussten die meisten anderen Köche das Wort noch buchstabieren. Die Zimmer am Pogusch waren bald legendär, Stichwort: Schlafen im Stall. Mit den „Vogelhäusern“ wurde ein neuer Standard geschaffen und nur die Pandemie hielt das Wirtshaus Steirereck ab, ihre allerneusten Errungenschaften, Zu- und Umbauten sowie gastronomischen Benchmarks mit Gästen zu eröffnen. Diese scharren in den Startlöchern.

Heinz Reitbauer ist Feiern zu seinem Achtziger tunlichst aus dem Weg gegangen, hat nur privat mit der Familie angestoßen. Wie schon damals zu seinem Siebziger, als er einfach abtauchte. Das Rampenlicht und die große Bühne sind nicht das Seine, obwohl er durchaus Qualitäten auch als Moderator und Alleinunterhalter hat. Bescheiden ist er immer geblieben, dankbar für das Erreichte.

Einstreitbarer Geist war der Nie-Zufriedene, immer rastlos Suchende, stets. Ein Blatt vor den Mund nahm er sich nie, auch diplomatisch wollte er nicht sein. Was es wiegt, das hat es. So bekamen Politiker und Institutionen, aber auch Kollegen oft ihr Fett ab. Egal, ob es um die nach Meinung Heinz Reitbauers zu billige und realitätsferne Preisgestaltung auf den Speisekarten ging oder um Mitarbeiterführung und -Bezahlung („Wir haben die schlechtesten Arbeitsplätze überhaupt, mit Abend- und Wochenendarbeit, vielen Überstunden und zahlen einen Schmarren!“). Reitbauer plädiert bis heute für mehr Geld für die Mitarbeiter und in der Folge für höhere Preise in den Lokalen, 30 Prozent mehr müßten es am Ende sein: „Wenn wir das nicht bald umsetzen in der ganzen Branche, schaffen wir uns selbst ab.“

Happy Birthday, Heinz Reitbauer!