100 Tage nach der – eben zu Ende gehenden – Weinblüte steht der Beginn der Lese bevor. Und auch wenn die Rotweine erst später gelesen werden, läuft die Sanduhr zur Leerung der übervollen Lager. Österreich ertrinkt förmlich im Rotwein. Der Markt stagniert, der Export geht gegen null.

Es ist die Schattenseite einer an sich glanzvollen Entwicklung: die Weinqualitäten in Österreich steigen kontinuierlich, der Klimawandel beschert vor allem den Rotweinwinzern eine Serie traumhafter Jahrgänge, praktisch seit 2015 in ununterbrochener Folge. Bei exzellenten Qualitäten, reifen doch vor allem die französisch stämmigen Rotweinsorten prächtig aus. Dazu stimmen die Mengen.

Die Weinlager in Österreich sind traditionell gut gefüllt; mehr als ein Jahresverbrauch im Land liegt auf Lager. Tendenz steigend, aktuell rund 3,0 Millionen Hektoliter, wobei eine durchschnittliche Lese pro Jahr rund 2,3 Millionen Hektoliter erbringt. Dies entspricht in etwa auch dem durchschnittlichen Jahresverbrauch Österreichs. Jene weniger als 15 Prozent des Verbrauchs, die mit ausländischen (importierten) Weinen bestritten werden, kompensieren sich durch die Weinexporte Österreich in ungefähr gleichem Umfang.

Während österreichische Weißweine auch im Ausland gut nachgefragt werden, liegen die – teils ausgezeichneten – Rotweine wie Blei in Tanks und Fässern. Der Weinkonsum ist im Moment auf der ganzen Welt rückläufig, besonders in den Wein-Stammländern Europas. Rotweine verzeichnen die schwersten Rückgänge, da ist auch der Boom beim Rosé nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Unmengen von Rotweinen aus dem Billigsegment, aber auch immer stärker in guten Qualitäten, drängen aus den großen Produzentenländern (Frankreich, Spanien, Italien) auf die internationalen Märkte und drücken auf die Preise. Für Österreichs Rotweinwinzer ist Weinexport schon lange kaum mehr ein Thema. Beim Preisverfall können sie nicht mit, haben viel höhere Produktionskosten im Vergleich zu den großen Weinbaubetrieben der Mittelmeerländer.

Gut tun würde den Rotweinen in Österreich eine spezielle Vermarktungskampagne, die dem internationalen Trend folgend Rotwein auch als gekühlt zu genießenden Ganzjahreswein propagiert. Selbst noble Bordeauxwinzer rümpfen nicht mehr die Nase, wenn ihre teuren Säfte leicht angekühlt und viel jünger, sprich primärfruchtiger als früher ins Glas kommen.

Speziell fruchtbetonte Sorten wie Zweigelt, Sankt Laurent und Pinot Noir, aber auch viele Blaufränkisch eignen sich für angekühlten Genuss, gerade an lauen Sommerabenden. Was für die Rosés gilt, ist auch für viele Rotweine ein Thema: gekühlt zu Gegrilltem auf der Terrasse oder im Garten sind diese Weine ein Hochgenuss.

Trend: Weniger und billiger trinken

Zu den vollen Lagern kommt die Preissensibilität der Konsumenten. Als Spätfolge des Ukraine Kriegs und als direkte Folge (der sich wieder einpendelnden) Inflation und der hohen Kreditzinsen schmelzen die frei verfügbaren Budgets der Haushalte. Es wird weniger Wein getrunken und jedenfalls günstigere Qualitäten; die Menschen gehen weniger oft in Wirtshäuser oder Restaurants, trinken mehr zu Hause – da aber immer weniger Wein.

Nicht greifbar sind jene Konsumenten, die verstärkt auf alkoholärmere oder fast alkfreie Weine setzen. Es sind oft dieselben Zielgruppen, die parallel dazu den Boom der harten Drinks, etwa bei Gin, Vodka und Wermuts befeuern. Da ist auch im besten Weinmarketing guter Rat teuer.

„Herrgott hat 5.000 Hektar aus dem Markt genommen“

Fast pervers mutet es an, dass Weinbaufunktionäre froh sein müssen, wenn wieder mal eine Hagel- oder Frostfront durchs Land zieht und ein paar hundert oder paar tausend Hektar Rebfläche „aus der Produktion nimmt“. Spitz formulierte ein Funktionär nach dem Hagelunwetter Ende April: „Der Herrgott hat gerade 5.000 Hektar im Burgenland aus dem Markt genommen!“ Was aber weder Strategie noch Lösung sein kann und meist auch mengenmäßig den Absatz nur geringfügig entlastet.

Setzrechte verlängern, Brachflächen schaffen

Rodungen möchte man so lange als möglich vermeiden, am liebsten ganz. Statt dessen diskutiert der Europäische Weinbauverband – unter österreichischer Beteiligung – eine Gesetzesnovelle, die es Weinbauern ermöglichen soll, ertragsschwache Anlagen zu roden und erst nach spätestens 8 (statt bisher 3) Jahren neu auszupflanzen. Andersrum: die heiklen Setzrechte der Weinbauern sollen für bis zu 8 Jahre erhalten bleiben. Dazwischen könnten Biodiversität fördernde Brachflächen, Sträucher, Lebensräume für Insekten und Kleintiere geschaffen – und gefördert – werden.