7.500 Mitarbeiter, über eine Milliarde Euro Jahresumsatz, Baubranche: Das ist das Tagesgeschäft von Veronika Lindner, der Chefin der bayerischen Lindner Group. Daneben investiert die Familie in das Weingut Groszer Wein am südburgenländischen Eisenberg. 

Veronika mit Vater Hans Lindner: "Liebe auf den ersten Schluck". © Groszer Wein

Vinaria: Frau Lindner, Sie leiten eigentümerseits ein deutsches Milliardenunternehmen. Wie kommt man da auf die Idee, ein österreichisches Weingut zu kaufen?

Veronika Lindner: Es war immer schon der Traum meines Vaters ein Weingut zu haben, er stammt aus einer Gastwirtsfamilie; so war ich eigentlich zu meinem Glück mit dem Weingut gezwungen. Aber es macht mir riesige Freude und ich habe echt Spaß daran, es ist eine Herzensangelegenheit geworden.

Wo nehmen Sie die Zeit dafür her?

Unser Unternehmen ist trotz seiner Größe ein klares Familienunternehmen. Unsere ganze Struktur basiert auf extrem guten, langjährigen und loyalen Mitarbeitern, die gerne Verantwortung übernehmen. Das ist immer eine Symbiose aus Freiheit geben und Verantwortung übertragen. Wie bei Unternehmern üblich, ist die eigene Arbeitszeit fließend, off limits. Die Unternehmensgruppe, deren Verwaltungsrats-Vorsitzende ich bin, ist natürlich mein Hauptjob. Weingut und Landwirtschaft sind die sehr fordernden Arbeits-Hobbies sozusagen.

Klingt wie aus dem Managementlehrbuch.

Kann sein, ist aber total pragmatisch. Eigenverantwortung der Mitarbeiter ist keine Wissenschaft, sondern eine Frage der Organisation und der Unternehmenswerte. Unser Unternehmen wäre in den 57 Jahren seines Bestehens niemals so erfolgreich gewachsen, wenn wir nicht immer in dezentralen, flexiblen Einheiten gedacht, gearbeitet und gelebt hätten und die Mitarbeiter am Unternehmenserfolg beteiligt hätten. Ich denke, daher kommt die enge Bindung zu unseren Mitarbeitern. Wir fordern und fördern sie, rekrutieren unseren Nachwuchs wo immer möglich aus eigenen Reihen. Wir bilden in 30 Berufe aus, vom Metallbauer über den Wirtschaftsinformatiker bis zum Altenpfleger. Heute haben drei Viertel unserer Führungskräfte schon bei uns ihren Beruf erlernt oder sind nach dem Studium zu uns gekommen.

Wann hat in der Familie der „Bio-Blitz“ eingeschlagen?

Wir haben im Baubereich, wo wir neben Fassade und Isoliertechnik auf den kompletten Innenausbau fokussiert sind, auf Boden-, Wand-, Deckensysteme, viele nachhaltige Produkte. Das ist dort mehr Trend als allgemein in der Landwirtschaft. Für uns allerdings ist es kein Trend, sondern seit jeher in der Unternehmens-DNA verwurzelt. So hat Lindner zum Beispiel seit 25 Jahren ein Doppelbodensystem im Programm, das zu 99 Prozent aus recyceltem Material besteht.

Gab es ein Schlüsselerlebnis in Sachen Landwirtschaft?

Ja. Bei einem Familientreffen haben wir darüber gesprochen, dass das hochwertige Lebensmittel Fleisch immer mehr zur Industrieware verkommt, von Tierwohl und artgerechter Haltung keine Rede ist. Eine meiner Schwestern ist zudem Vegetarierin. In einer Wein-Bierlaune hat sich das dann einfach ergeben, wir haben gesagt: Anstatt zu kritisieren, machen wir es selber besser, aber gleich im ganzen Kreislauf und tragen wir so zu einem gesellschaftlichen Wandel bei.

Ihr Musterbauernhof in Leberfing in Niederbayern nennt sich Land.Luft, nicht unweit ihrer Firmenzentrale. Der Name als Statement?

Ja, wir sind alle am Land aufgewachsen, mit der Region und den Menschen hier eng verbunden. Wir versuchen immer, einen Mehrwert für die Regionen zu schaffen, wo wir Betriebe haben. Wir sind glücklich, dass wir hier so eine wunderbare Nutzungsmöglichkeit gefunden haben, um eine ganz andere Fleischproduktion umzusetzen.

Das Konzept?

Die Tiere sind „Nutz“tiere, aber sie sollen vom ersten bis zum letzten Atemzug ein gutes, artgerechtes Leben haben. 100 Prozent Weidehaltung, keine Tiertransporte, Biofutter aus eigener Erzeugung, Schlachtung auf der Weide ohne Angst oder Stress, Verarbeitung direkt am Hof. Die Masttiere sind nicht geimpft und wir geben keine Antibiotika, damit das Fleisch unbelastet ist. Dazu haben wir einen eigenen mobilen Schlachtanhänger entwickelt, der zu den Tieren fährt – nicht umgekehrt. 60 Minuten gibt uns das Gesetz Zeit, vom Schlachten bis zum Aufbrechen. War gar nicht so einfach mit den EU-Genehmigungen, aber wenn wir ein Ziel haben, engagieren wir uns, bis wir es auch erreichen.

Wie oft wird am Hof geschlachtet?

Zweimal die Woche Schwein, einmal die Woche Rind und verarbeitet wird in der hofeigenen Metzgerei, fünf Tage die Woche. Daher haben wir eine ansehnliche Produktvielfalt, vom Würstel bis zur Dry-aged-Hochrippe.

Rinder und Schweine auf der Weide habe ich gesehen am Land-Luft Hof ...

Wir haben 80 Rindern und gut 700 Schwein auf 45 Hektar. Es ist ein vollintegrierter Betrieb bis hin zum Hofladen und einem in der Region schon ganz beliebten Restaurant, dem einzigen Biorestaurant in der Gegend. Der Onlineshop entwickelt sich gut und natürlich beliefern wir auch unsere Brauereiwirtschaft Schlossbräu Mariakirchen, unser Parkwohnstift Arnstorf und die Kantine der Lindner Group. Allmählich, aber sicher gewinnen wir auch gehobene Gastronomie als Kunden. 

In Rumänen betreiben Sie eine sehr große Landwirtschaft, auch als Land.Luft?

Klar, Land.Luft Siebenbürgen, wir stellen den ursprünglich konventionellen Betrieb seit ein paar Jahren sukzessive auf bio um. Hier erzeugen wir auch Bio-Gemüse und Bio-Obst, brennen Schnaps. Hauptsächlich aber betreiben wir dort sehr viel Ackerbau, um eben unser Futter zu erzeugen. Wir haben dort eine gut 200 Tiere zählende Angus Rinderherde. Die Tiere sind das ganze Jahr im Freien samt zwei Hirten, mehr bio geht nicht. Auch hier gehen die Tiere ohne jeden Tiertransport zu Fuß zum Metzger. Die erste Begegnung mit Rumänien und der Region um Satu Mare hatten wir durch unsere soziale Stiftung, die wir dort seit 25 Jahren haben.

Woher kommt Ihre persönliche Beziehung zum Wein?

Ich habe immer schon lieber Wein getrunken als Bier. Ich hatte aber nie besondere Präferenzen für Sorten und Herkünfte. Der für mich beste Wein war jener, der mir am besten geschmeckt hat. Je nach Anlass, Lust und Laune.

In Deutschland gibt es sehr viele, sehr schöne Weingüter mit Potenzial – warum gerade Österreich, das Südburgenland?

Wie gesagt, mein Vater hat immer schon nach einem Weingut Ausschau gehalten. Aber nicht nach irgendeinem Weingut. Es sollte die Möglichkeit haben, sich zu entwickeln und an einem Ort sein, der nicht auf dem Radar der Weinwelt ist. Etwas Besonderes eben. Die Suche dauerte viele Jahre. Als uns Groszer Wein angeboten wurde, waren wir spontan gefangen vom Eisenberg und der einmaligen Umgebung dort.

„Liebe auf den ersten Schluck“ haben Sie einmal gesagt – was war an dem Weingut so speziell?

Es ist ein besonderes Weingut mit besonderen Weinen, die dort gemacht werden. Wir haben ein tolles Team vorgefunden und eine perfekt zu uns passende Philosophie: Nachhaltigkeit, Bio, die Art der Weinbereitung, alles war für uns perfekt.

Hat Markus Bach, der langjährige Weingutsleiter, den Deal mit Ihnen eingefädelt?

Angeboten hat es uns ein Makler, aber mit Markus Bach hatten wir sofort einen Draht. Es hat sich herausgestellt, dass sein Bruder zufällig bei uns in der Lindner Group arbeitet. Kellermeister Edgar Brutler kommt aus Siebenbürgen in Rumänien, wo er auf dem Familienweingut eine eigene Naturweinlinie betreibt. Seine Eltern hatten mit unserer Stiftung dort auch schon Kontakt. Wenn das keine Zeichen sind?

Sie sind in alle Agenden des Weinguts eingebunden, heißt es. Wie darf man sich das vorstellen?

Ich stehe in engem Kontakt mit Markus Bach und Edgar Brutler, wir treffen alle wichtigen Entscheidungen gemeinsam, aber ich werde ihnen sicher nicht erklären, wie man Wein macht, das wäre lächerlich. Fixes Videomeeting alle zwei Wochen und regelmäßige Besuche vor Ort. Auf meine erste Weinlese im Herbst freue ich mich schon riesig.

Warum haben Sie den Namen „Groszer Wein“ behalten? Wäre Weingut Lindner nicht passender?

Wenn wir die Winzer wären, würde Lindner passen, sonst wäre es ein Etikettenschwindel. Wir möchten in allem, was wir tun, authentisch und transparent sein, auch beim Wein. Daher haben wir den Namen und die schönen Etiketten belassen.

Die Pandemie hat die Pläne etwas gebremst, im Frühling 2022 gaben Sie aber Vollgas: neue Weine, neuer Auftritt, neues Team, ProWein und VieVinum – Ihre erste Bilanz?

Diese fällt wirklich gut aus! Wir haben überall viel Akzeptanz und Zuspruch erfahren, viel positives Feedback vom Fachpublikum, aber die Weine stehen ja auch für sich, sind exzellent.

Groszer Wein setzt nun stark auf Bio und Natural Wines, Motto: Back to nature. Ist das eine persönliche Überzeugung?

Ja, absolut! Back to nature and into the future. Das ist die Zukunft. Wir werden beide Linien parallel fahren, also klassische Weine bio und Naturweine. Mit dem kommenden Jahrgang 2022 wird das gesamte Sortiment bio zertifiziert sein. Wir möchten einige unserer besonderen Weine auch neu ausbauen, etwa jene von den Top-rieden Saybritz und Szapary. Wir setzen alles daran, die eigenständigen Charaktere unserer Weine zu betonen, möglichst wenig bis gar nicht einzugreifen.

Neustart bei Groszer Wein
Alles neu beim südburgenländischen Weingut Groszer Wein in Burg am Eisenberg: Neue Eigentümer, neuer Weingutsleiter, neuer Kellermeister. Dazu alles bio – ab dem Jahrgang 2022 - und Terroir pur. Gemeinsam ist allen Akteuren die Leidenschaft für das einzigartige Terroir des Eisenbergs. Auf diesem eigenwilligen Berg mit seinen alten Reben in steilen Lagen wachsen Trauben, die einen speziellen Charakter in sich tragen – wild und urwüchsig.

Grundlage bei Groszer Wein ist die biologische Landwirtschaft. Neben den klassischen Rebsorten Blaufränkisch und Zweigelt finden sich Gemischte Sätze in Weiß und Rosé oder ein PetNat-Rösler im Sortiment. Den Naturweinen gilt die große Liebe der Önologen, bereits neun Weine finden sich im Angebot, darunter Blaufränkisch, Pinot Noir, Syrah, Müller-Thurgau, Welschriesling und Gemischter Satz.

 

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Groszer Wein: Die Grundlinie der markanten Etiketten wurde beibehalten, das Sortiment ausgebaut. © Groszer Wein
Auf dem Land.Luft Hof in Leberfing dürfen die Rinder natürlich auch ihre Hörner behalten. © Weissraum Media, Sepp Eder
700 Schweine (und 80 Rinder), 45 Hektar: biologisch und artgerecht, natürlich und stressfrei. © Weissraum Media, Sepp Eder
Markus Bach leitet das Weingut © Groszer Wein
Edgar Brutler ist der Kellermeister © Groszer Wein