Der gebürtige Brite Peter Gago hat als Chief-Winemaker von Penfolds maßgeblich dazu beigetragen, die Qualität australischer Weine auf ein neues Niveau zu heben. Vinaria sprach mit dem Musikliebhaber über Trends & Traditionen, Privates & Berufliches, Märkte, Weinstile und neue Pläne.

Barriques und größere Fässer im Weingut Magill Estate. © Penfolds

In jüngster Zeit hat Peter Gago mit Projekten und Joint Ventures in Frankreich, Kalifornien und jüngst China für Aufsehen gesorgt und nebenbei neue Horizonte und Denkweisen nicht nur für Penfolds, sondern für die Weinerzeugung ganz allgemein in der Welt eröffnet.

Vinaria: Sie sind mehr als drei Jahrzehnte bei Penfolds – wie fühlt man sich dabei?

Peter Gago: Ich bin seit 34 Jahren bei Penfolds, 21 Jahre davon als Chief Winemaker – es ist unglaublich. Wissen Sie, ich war vor zwei Wochen bei einem Wohltätigkeitsdinner als Co-Referent gemeinsam mit unserem Premierminister (Anm.: Anthony Albanese). Wir hatten unter anderem einen Wein aus seinem Geburtsjahrgang 1963 und danach zu Ehren eines früheren Ministers auch einen Penfolds Bin 7 Cab-Shiraz aus dessen Jahrgang 1967. Während dieser Wein ausgeschenkt wurde, fragte ich nach einer leeren Flasche, um darüber reden zu können. Ich sah auf dem Rücketikett, dass der Wein 1993 neu verkorkt worden war – also vor genau 30 Jahren. Und das von einem Weinmacher namens Peter Gago. In dem Moment fühlte ich mich uralt, es war erschreckend.

34 Jahre waren es bis jetzt – wie lange geht es noch?

Nun, die Worte meines Vaters sind: „Gehe niemals in den Ruhestand“, aber das ist natürlich nicht der unternehmerische Weg (lacht). Aber es geht darum: Entweder bist du mit Vollgas unterwegs, oder du bist stationär – es gibt nichts dazwischen! Und ich denke, ich habe wirklich Glück, dass ich in meiner Karriere bis jetzt keinen einzigen Krankenstandstag in Anspruch genommen habe.

In ihrer ersten Karriere waren Sie Lehrer – wie kam das, wie war es?

Ich unterrichtete Mathematik und Chemie, und wie es dazu kam, war ziemlich witzig: Denn jedes Mal, wenn mich meine Eltern fragten, während ich aufwuchs: „Was willst du später machen, Peter?“, war meine Antwort: „Ich weiß es nicht.“ Die Universität war also eine Erweiterung dessen, was ich davor in der Schule gemacht hatte, ebenso war mein Einstieg in den Lehrerberuf eine Erweiterung: Ich habe Mathematik und Chemie unterrichtet und es absolut geliebt. Ich war kein desillusionierter Lehrer, im Gegenteil, ich könnte morgen dort wieder einsteigen. Und tatsächlich ist es so, dass ich auch bei den Verkostungen und Präsentationen unterrichte – das ist ein Teil des Jobs, und ich liebe ihn.

Wie kam dann der Wechsel zum Wein?

Ich absolvierte also ein Doppelstudium Chemie und Mathematik. Meine Frau arbeitete anfangs als Krankenschwester. Nach ein paar Jahren entschloss sie sich, Neuropsychologie zu studieren, um beim Abschluss zu bemerken, dass sie derart spezialisiert war, dass sie weit weg ziehen müsste, um einen nicht besonders gut bezahlten Job zu bekommen. Das wollte sie nicht, und sie meinte: „Peter jetzt bist du dran.“ Önologie bot sich an, und ich entschloss mich zum Studium in Roseworthy (Außenstelle der Universität Adelaide).

Und nach dem Studium der Önologie kam Penfolds – aber anfangs als Schaumweinmacher …

Ja, und ich habe noch immer die Zeitungsanzeige mit dem Jobangebot in meinen Unterlagen. Aber das kam nicht von irgendwo, denn meine Abschlussarbeit in Roseworthy widmete sich der Herstellung eines eigenen Sekts nach der Méthode champenoise. Von allen Weinen bekenne ich mich immer noch dazu, ein Champagnersüchtiger zu sein.

Welche Champagner zählen zu Ihren Favoriten?

Die teuren natürlich (lacht). Was wir aber bemerken, ist, dass die Preise, vor allem in den jüngsten 18 Monaten, besonders stark gestiegen sind. Das gesagt, verteidige ich sie trotzdem. Wenn man die besten Burgunder und die besten Bordeaux der Welt kauft, zahlt man Tausende pro Flasche. Auf der anderen Seite kann man die besten Champagner der Welt kaufen und – mit Ausnahme von Clos d’Ambonnay, gewissen Selosse-Weinen und dem einen oder anderen Salon – zahlt nur Hunderte pro Flasche. Für die besten der Welt.

Wie sieht Ihr Privatkeller aus?

Ich habe zwei Privatkeller – einen in Melbourne und einen in Adelaide, und vermutlich sind drei Viertel der Flaschen in meinen beiden persönlichen Kellern nicht australische Weine, und das war schon immer so. Und die Sammlungen sind so eklektisch wie mein Musikgeschmack. Sie müssen wissen, Musik ist eine große Leidenschaft (lächelt). Die Leute fragen: Welches Genre? Und ich sage: Alles, solange es gut ist. Und dasselbe gilt beim Wein.

Sie sind dauernd auf Achse. Da gibt es wohl tolle, aber auch weniger angenehme Aspekte …

Natürlich ist es toll, die verschiedenen Länder und Kulturen. Das einzige Bedenken ist, dass ich weg von daheim bin. Meine Frau und ich sind seit 40 Jahren verheiratet, seit 43 Jahren ein Paar. Die Beziehung ist so stark, vielleicht auch stärker als je zuvor, bedeutungsvoll, respektvoll und mit mehr Tiefgang.

Das Portfolio von Penfolds ist riesig – wie gehen Sie damit um?

Wir haben ein wunderbares Portfolio, aber es kann sich nicht ewig ausbreiten. Wir müssen uns unser Portfolio ansehen und entscheiden, was wesentlich und was nicht wesentlich ist. Wir stellen zwar viele Weine her, aber in drei Monaten werden wir 180 Jahre alt. Diese Produktpalette hat sich also in 180 Jahren entwickelt. Dennoch müssen wir uns konzentrieren.

Auch die Bandbreite ist sehr groß.

Ja, wir verkaufen Weine in verschiedenen Kanälen, wir verkaufen Weine zu verschiedenen Preisen, wir verkaufen sehr teure Weine, aber wir sind auch sehr interessiert an zukünftigen Weinkonsumenten – der nächsten Generation, die sich diese Weine nicht leisten kann. Daher sind unsere Koonunga-Hill-Reihe und die erschwinglicheren Bin-Weine extrem wichtig für unsere Arbeit, um eben neue Generationen in die Welt von Penfolds einzuladen.

Es geht bei Penfolds auch um das Top-down-Konzept – was heißt das?

Top-down ist der Weg von Penfolds. In der modernen Ära von Penfolds kam Grange zuerst, 707 kam danach, 389 kam später, Koonunga Hill kam noch später. Es ist genau die Philosophie – von oben nach unten. Viele Winzer machen acht, neun, zehn Jahre lang Wein, und dann irgendwann kommen sie mit einem Reserve-Wein. Wir fangen eben mit dem Reserve-Wein an.

Mit welcher Weißweinsorte arbeiten Sie am liebsten?

Mit Riesling, obwohl wir mehr Erfolg mit Chardonnay haben.

Wie sehen Sie Entwicklung australischen Weins weltweit?

Es ist ähnlich wie in der Landwirtschaft. Es gibt Zyklen, Höhen und Tiefen. Vor einiger Zeit war australischer Wein eine Zeit lang voll im Trend, und wir sind auf dieser Welle bis zum Strand geritten. Wir haben auch geopolitische Einflüsse wie die derzeitige Sackgasse in China, wo wir mit einem Zollsatz von 218 Prozent zu kämpfen haben! Australien ist weit von der Heimat des Weins in der nördlichen Hemisphäre. Schlussendlich haben wir noch die Noten und Sterne, die Bewertungen und Auszeichnungen. Auch diese sind von entscheidender Bedeutung. Ich denke, der australische Wein profitiert heutzutage von der Wahrnehmung, dass es sich um echte Weltweine handelt.

In der australischen Weinwirtschaft gibt es auch Input aus Österreich.

Ja, etwa mit Grünem Veltliner wie Hahndorf Hill Winery in den Adelaide Hills. Der österreichische Einfluss ist überall (lacht). Allen voran natürlich durch Herrn Salomon, der in Finiss River ist. Es gibt viel österreichisches Interesse, viel deutsches Interesse.

Haben Sie in der Vergangenheit den Stil mancher Weine aufgrund des Kundengeschmacks geändert?

Ohne arrogant klingen zu wollen: Nein, das haben wir nicht. Und es geht auch nicht darum, einen Wein zu erschaffen, und dann werden die Leute schon kommen, sondern es geht um die Erweiterung des Portfolios – so entstand etwa unser RWT im Jahr 1997, um Grange zu schützen; Grange war multiregional, mit amerikanischer Eiche. Aber nun wollten wir einen Wein aus einer einzigen Region, mit französischer Eiche. Wir werden dafür aber Grange nicht ändern, dafür gibt es nun RWT. So gelingt es, das neue Bedürfnis zu decken, ohne den ursprünglichen Wein zu beeinträchtigen oder zu verändern.

Verschiedene Märkte, unterschiedliche Geschmäcker?

Selbstverständlich. Wir verkaufen auch nicht jeden Wein in jedem Markt. Aber es geht um Verlässlichkeit. Am Beispiel Bin 389: Er ist weltweit sehr beliebt, aber es handelt sich in jedem Land der Welt um den gleichen Wein mit dem gleichen Etikett. Wir optimieren ihn nicht für diesen oder jenen Markt, und das begründet Penfolds Anspruch an Berühmtheit.

Was war der wesentlichste Aspekt des Rotwein-Jahrgangs 2021 in Australien?

Ich denke, einer der echten Höhepunkte waren der Charakter und der Eindruck der Weine aus dem Südosten, insbesondere aus Coonawarra. Zu Beginn der Vegetationsperiode war es relativ trocken, und dennoch gab es dort heißes Wetter mit 14 Tagen über 35 Grad, in Barossa waren es 21 Tage. Die vorhergesagte La Niña (Anm.: kalte Phase eines Zyklus im östlichen Pazifik und das Gegenstück der warmen Phase El Niño) ist dann doch nicht eingetreten. Es lief wirklich hervorragend.

Wie war der Verlauf im Jahrgang 2019, der beim Kultwein Grange aktuell ist?

Sowohl im Barossa als auch im McLaren Vale lagen die Niederschläge im Winter deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt. Im Barossa gab es 31 Tage mit mehr als 35 Grad, im McLaren Vale waren es 25, und das Clare Valley lag unwesentlich dahinter. Die Erträge lagen überall unter dem Durchschnitt. Doch muss der 2019er erst die Fußstapfen des gefeierten 2018ers ausfüllen, der mittlerweile bereits achtmal mit 100 Punkten bewertet wurde.

2022 wurde Penfolds II vorgestellt – warum haben Sie Frankreich und Dourthe für diese Partnerschaft gewählt?

Wenn ich an Cabernet Sauvignon und Merlot denke, denke ich sofort an Bordeaux - und natürlich auch an das Napa Valley. Wir freuen uns sehr über den Erfolg unserer Zusammenarbeit mit Dourthe. Ihr weltoffener Blick und ihre Querdenker bei der Weinherstellung haben uns sofort überzeugt. Das Flaggschiff von Dourthe, der Essence – ein Verschnitt aus reinrassigen Bordeaux-Gemeinden –, traf sofort den Nerv unserer Weinmacher-Psyche.

Abgesehen von Champagne und Bordeaux, haben Sie noch andere Pläne in Frankreich?

Es gibt noch so viel zu tun in Bordeaux, in der Champagne ..., aber idealerweise vielleicht eines Tages den Blick ins Rhônetal richten?!

 

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Der bekannte Schriftzug des Welt-Weinguts Penfolds. © Penfolds
Eine Auswahl der Weine aus der Collection 23. © Penfolds
Der Keller in Magill Estate. © Penfolds